Grundwasser: Geräusche aus der Tiefe

Knallen im Erdreich schreckt Altbau-Bewohner in Eppendorf auf. Sie fürchten, dass die Pfähle brechen, auf denen die Wohnhäuser stehen.

Pfähle im Untergrund: Rund um die Hochzeitskirche in Eppendorf ist der Boden feucht. Bild: Miguel Ferraz

Versinken Teile des historischen Eppendorfs im Erdreich, weil bei Luxusneubauten unsachgemäß und rücksichtslos vorgegangen worden ist? Diese Befürchtung hat zumindest die Bürgerinitiative „Wir sind Eppendorf“ geäußert. „Lautes Knallen beunruhigt derzeit zahlreiche Altbau-Bewohner in Eppendorf“, so Sprecherin Miriam Flüß. Inzwischen stehe für sie die Ursache fest – und die sei alarmierend: „Durch die sträfliche Vernachlässigung von Bauvorschriften durch die Investoren und Behörden beginnen die Holzpfähle zu brechen, die Eppendorfs alte Gebäude im moorigen Untergrund tragen“, sagt Flüß.

Die Bürgerinitiative war vor eineinhalb Jahren auf ein riesiges hochständiges Rohrsystem aufmerksam geworden, das hinter der historischen Hochzeitskirche auf der Baustelle des Neubauprojekts „Eppendorfer Höfe“ in der Eppendorfer Landstraße 108/110 installiert worden war. Die Rohre führten bis zur Alster. Die Initiative stellte fest, dass Grundwasser aus der Baugrube abgepumpt wurde. Aber wozu diese Dimension? Und warum war die Baugrube nicht – wie üblicherweise – durch rundumlaufende, tief ins Erdreich getriebene Eisenträger im so genannten Trogbau abgesichert worden?

Drei kleine Anfrage der Links- und der Grünen-Fraktion in der Bezirksversammlung Nord sowie eine Anfrage der Linksfraktion in der Bürgerschaft brachten nun Klarheit: Beim Bauvorhaben Eppendorfer Landstraße 108–110 habe die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt „die wasserrechtliche Erlaubnis erteilt, zur Trockenhaltung der Baugrube das Grundwasser mithilfe von Schwerkraftbrunnen um drei Meter abzusenken“, erklärt der SPD-Senat.

Diese wasserrechtliche Erlaubnis habe zunächst für drei Monate bestanden, sei auf Antrag des Bauherrn dann aber um insgesamt siebeneinhalb Monate verlängert worden, da sich die Lage entgegen der Prognosen entwickelt habe. Insgesamt seien 500.000 Kubikmeter Wasser in die Alster gepumpt worden. Es könne aber auch sein, dass bei der Maßnahme noch mehr Wasser abgepumpt worden sei, das vor dem Genehmigungstermin einfach in die Kanalisation gepumpt worden sei, räumt der Senat ein.

Die Baustelle "Eppendorfer Höfe" an der Eppendorfer Landstraße 108-110 sowie Heinickestraße und die geplanten Neubauten in der Eppendorfer Landstraße 103-109 sowie 97-101 liegen im Hochwasserschutzgebiet um die Alster, einem Niedermoorgebiet, das erst durch Entwässerung bebaubar gemacht wurde.

Der Grundwasserspiegel liegt in der Region vier Meter über dem normalen Wasserspiegel (NN).

Der sensiblen Bodenbeschaffenheit dieses morastigen Auebodens mit den hoch liegenden Grundwasseradern hat man beim Bau der heutigen Altbauten Rechnung getragen und niemals in die Tiefe gebaut.

Bei Baumaßnahmen im Umfeld von Altbauten, bei denen mehr als ein Tiefgeschoss vorgesehen ist, wird eine teure Troglösung erforderlich. Nur so ist es zu vermeiden, dass es in einem weiten Umkreis zu Grundwasserstands-Änderungen kommt, die zu Schäden an benachbarter Altbausubstanz führen können.

In Eppendorf sei es großräumig um die Baustelle herum laut Messprotokollen zur Absenkung des Grundwassers um 3,3 Meter gekommen, sagt Ini-Sprecherin Flüß. Absenkungen des Grundwassers brächten immer Veränderungen der unteren Bodenschichten mit. „Fatal wird es, wenn es sich dabei um auf Holzpfählen gestützte Altbauten handelt“, sagt Flüß. Stehen die nur einen Monat im Trockenen, setze Fäulnis ein, die das Holz schädige. „Nach einem Trockenstand von sechs Monaten sind die Pfähle so geschädigt, dass sie zu bersten beginnen und zusammenbrechen.“

Das führe zu Absenkungen, Rissen und anderen Schäden an den Häusern, denn viele Gebäude um die Baustelle der „Eppendorfer Höfe“ herum seien auf Pfählen gebaut, ergänzt Edith Aufdembrinke, die für die Initiative die Recherchen machte. „Was der Zweite Weltkrieg nicht geschafft hat, nämlich Eppendorf in Schutt zu Asche zu legen, das schaffen heute renditegierige Investoren mit behördlicher und politischer Unterstützung“, schimpft sie.

Der zuständige Bezirksamtsleiter Nord, Harald Rösler (SPD), sieht das anders: „Schäden sind nicht bekannt und auch nicht durch Grundeigentümer angrenzender Bebauung angezeigt worden.“

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