Häusliche Gewalt: Geschützte Räume werden knapp

Berlin hat sechs Frauenhäuser, alle sind regelmäßig überfüllt. Eine Ursache sieht die zuständige Verwaltung auch im enger werdenden Wohnungsmarkt.

Gewalt gegen Frauen bleibt ein Dauerbrenner. Bild: DPA

Die sechs Berliner Frauenhäuser reichen nicht mehr aus: Im Jahr 2011 waren die Unterkünfte an 60 Tagen vollständig belegt. Das bestätigte Karin Rietz, Sprecherin der Senatsverwaltung für Frauen, der taz. Weitere Opfer von häuslicher Gewalt mussten bei Engpässen an Einrichtungen im Umland vermittelt werden. Auch in diesem Jahr gab es schon Probleme: „Seit einem halben Jahr sind alle Frauenhäuser ständig voll“, sagt Anke K., Sozialpädagogin im Frauenhaus Hestia in Lichtenberg. Mitarbeiter anderer Häuser wie dem der Caritas oder dem interkulturellen Frauenhaus in Zehlendorf bestätigen, dass freie Plätze derzeit rar sind.

Eigentlich steht Berlin im bundesweiten Vergleich gut da, was Hilfen für Opfer von häuslicher Gewalt angeht: Betroffene Frauen und ihre Kinder können nicht nur in den Frauenhäusern mit insgesamt 317 Plätzen unterkommen. Es gibt zudem 41 Zufluchtswohnungen mit 117 Plätzen. Doch auch das reicht nicht mehr aus: „Seit dem letzten Jahr sind dem Senat verschiedentlich Vermittlungsschwierigkeiten wegen Vollbelegung der Schutzunterkünfte gemeldet worden“, heißt es in einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der Grünen.

Im Schnitt liegt die Belegungsquote der Frauenhäuser seit Jahren knapp unter 90 Prozent. Doch es gibt Stoßzeiten, zu denen besonders viele Frauen Hilfe brauchen, weiß Patricia Schneider, Geschäftsführerin der „Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen“ (BIG). Die Initiative betreibt eine Hotline und vermittelt Opfer häuslicher Gewalt an Schutzunterkünfte. „Bei bestimmten Großereignissen wie Weihnachten, Silvester oder auch einer Fußballmeisterschaft gehen die Agressionen in den Haushalten besonders hoch“, so Schneiders Erfahrung.

Daneben gibt es auch ein strukturelles Problem: den enger werdenden Berliner Wohnungsmarkt. Viele Frauen, die sich an die Hilfseinrichtungen wendeten, würden vom Jobcenter finanziert, berichtet die BIG-Geschäftsführerin. Haben sie kein eigenes Einkommen und ist die Unterhaltsfrage noch nicht geklärt, beziehen sie Hartz IV. Für sie gelten also die vom Senat beschlossenen Obergrenzen bei der Miethöhe. Dafür seien aber kaum Wohnungen zu bekommen, sagt Schneider. Die Frauen blieben daher länger in den Schutzunterkünften.

Der Senat erkennt das Problem durchaus: „Die Frauen haben Schwierigkeiten, einen dem Richtpreis entsprechenden Wohnraum zu finden“, bestätigt auch Sprecherin Karin Rietz. Deshalb gebe es eine Neuregelung:Von Gewalt betroffene Frauen dürfen seit dem 1. Mai die Mietobergrenzen um bis zu zehn Prozent überschreiten. Zudem können sie auf das geschützte Marktsegment bei den landeseigenen Wohnungbaugesellschaften zurückgreifen. Laut Patricia Schneider von der BIG hilft das den Frauen aber oft nicht weiter. „Viele der Wohnungen im geschützten Marktsegment befinden sich im Erdgeschoss, dort fühlen sich die Frauen nicht sicher. Oder sie liegen weit draußen, in Bezirken wie Marzahn-Hellersdorf oder Spandau“, berichtet sie.

Der Senat fördert die Schutzunterkünfte und andere Hilfen für Opfer häuslicher Gewalt zurzeit mit 6,3 Millionen Euro pro Jahr. Zwar will die Verwaltung das Problem nicht zu hoch hängen. „Die aktuelle Versorgungslage deckt den Bedarf ab“, so Rietz. Die Engpässe seien bisher zeitlich begrenzt. Aber: „Der Senat prüft weitere Maßnahmen, die perspektivisch zu einer Entlastung der Frauenhäuser beitragen können.“

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