Haftpflicht und Hebammen: 3 Millionen für ein behindertes Kind

Die gestiegenen Haftpflichtkosten für Geburtsschäden gefährden nicht nur die Existenz von Hebammen. Auch die Geburtsstationen sind bedroht.

Hebammen samt Anhang demonstrieren in Hannover am 8.März. Bild: dpa

BERLIN taz | Ruth Schultze-Zeu ist lange im Geschäft und kennt die Debatten um die Hebammen gut. „Wenn die freiberuflichen Hebammen wegfallen, verlagert sich das Problem nur“, sagt die Berliner Fachanwältin für Geburtsschadensrecht, „dann müssen die Kliniken mehr mit angestellten Hebammen arbeiten. Die hohen Kosten für Geburtsschäden aber bleiben.“

Die Geburtshilfe durch freiberufliche Hebammen ist bedroht, auch weil es ab Mitte 2015 keinen Versicherer mehr gibt, der für sie die Berufshaftpflicht übernehmen will. Zudem klettern die Haftpflichtprämien für freiberufliche Hebammen in der Geburtshilfe ab Juli auf 5.000 Euro im Jahr. Das Prämienproblem betrifft dabei die Hebammen, die außerhalb von Kliniken arbeiten, und die Beleghebammen, die freiberuflich in Krankenhäusern ackern. Insgesamt sind es etwa 3.000 bis 5.000 Frauen, je nach Schätzung.

Doch nicht nur die Prämien dieser Geburtshelferinnen sind in die Höhe geschossen, auch Krankenhäuser mit Geburtshilfestationen, in denen Hebammen fest angestellt sind, müssen hohe Prämien an ihre Haftpflicht berappen.

„In manchen Kliniken mit Geburtshilfestationen haben sich die Prämien teilweise verdoppelt in den letzten drei, vier Jahren“, sagt Bernd Hendges, Geschäftsführer der Versicherungsmaklerfirma Securon in München, die auch die Hebammen betreut. Die Geburtshilfe wird damit zum teuren Kostenfaktor für die Kliniken. Gab es 2003 noch 589 Krankenhäuser mit einer Geburtshilfestation, waren es 2012 gerade mal 430 Stationen. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei.

In 90 Prozent der Fälle schwerstbehindert

Die Zahl der Schadensfälle ist dabei zwar nicht gestiegen, aber die Kosten für ein durch einen Fehler behindertes Baby sind in die Höhe geklettert. In 90 Prozent der Fälle handele es sich um „Schwerstbehinderte“, sagt Anwältin Schultze-Zeu. Oft sind es Babys, die bei einer verzögerten Geburt einen Sauerstoffmangel erlitten. Eine Unaufmerksamkeit einer überlasteten Hebamme, die einen Arzt zu spät rief, kann lebenslange Folgen haben.

Ein Baby mit der Aussicht auf ein vielleicht sogar langes Leben in Rund-um-Pflegebedürftigkeit kostet die Berufshaftpflichtversicherung der beklagten Hebamme möglicherweise 3 Millionen Euro, hat die Securon vorgerechnet. Darin enthalten sind 500.000 Euro Schmerzensgeld für die Eltern, die Gerichte heute zugestehen. Dann wird der Betreuungsaufwand für die Eltern berechnet. Die Securon kommt dabei auf Kosten von 900.000 Euro, bei einem Stundensatz von 11 Euro und einer Pflegezeit von 25 Jahren des geschädigten Kindes. Hinzu kommen spätere Heimkosten und weitere Posten.

Zwölf „Großschäden“ im Jahr

Dass die Kranken- beziehungsweise Pflegekassen sich zunehmend ihre Aufwendungen von der Haftpflicht wiederholen, treibt die Kosten in die Höhe. Wie Hendges berichtet, haben die Krankenkassen eigene Regressabteilungen, die nur damit beschäftigt sind, sich das Geld für Behandlungen und Pflege von Haftpflichtversicherungen der Beklagten erstatten zu lassen.

Für die Haftpflichtversicherer wird die Geburtshilfe damit zum Minusgeschäft. Insgesamt bekommen die Versicherer etwa 15 bis 16 Millionen Euro an jährlichen Haftpflichtbeiträgen der Hebammen, schildert Hendges. Nach Angaben der Bundesregierung liegt die Zahl der sogenannten „Personengroßschäden“ in der Geburtshilfe der freiberuflichen Hebammen aber im Schnitt bei 12 Fällen pro Jahr. Das ist der Grund, warum sich bereits große Versicherer wie die Zürich AG aus der Berufshaftpflicht auch für die Geburtskliniken zurückgezogen haben und ab nächstem Jahr auch die Nürnberger Versicherung aussteigt.

Ein Haftpflichtfonds ist im Gespräch

„Es müsste eine politische Lösung her“, meint Hendges. Schon allein wenn die Kranken- und Pflegekassen ihre Regressansprüche begrenzten oder ein Haftpflichtfonds bei sehr hohen Kosten mit einspränge, würde sich die Lage entspannen. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat in Aussicht gestellt, sich um die Belange der Hebammen zu kümmern. Ein staatlich subventionierter ergänzender Haftpflichtfonds ist im Gespräch.

Gröhe setzt allerdings auch auf die Krankenkassen. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen hatte erklärt, die Haftpflichtkosten bei den Honoraren für Geburten zu berücksichtigen. Konkrete Summen aber wurden nicht genannt. Honorarverhandlungen sind für Ende April geplant.

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