Halbfinale der Handball-WM: Nutznießer der Müdigkeit

Nach der Qualifikation für das WM-Halbfinale kann sich das deutsche Team gegen Spanien schonen. Danach dürfte es von der Abwehr profitieren.

Drei Personen kämpfen um einen Ball

Gegen alle Widerstände: Fabian Wiede (rechts) Foto: ap

KÖLN taz | Es ist ein unerwarteter Luxus, den die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) sich da geschaffen hat. Das finale Spiel der Hauptrunde am Mittwoch gegen Spanien (20.30 Uhr/ARD), den Europameister, der vor einem Jahr bei der EM in Kroatien ebenfalls im letzten Duell der Hauptrunde die Deutschen durcheinander gewirbelt hatte, ist jetzt ohne besonderen sportlichen Wert.

Es geht vordergründig im Fernduell mit Frankreich darum, wer die Gruppe als Erster abschließt. Weil aber nicht klar ist, welcher Kontrahent sich dadurch für das Halbfinale am Freitag in Hamburg ergibt, ist das letztlich ein Rennen ohne lukrativen Lohn. Bundestrainer Christian Prokop deutete gestern an, das „Spiel gewinnen“ zu wollen, der Schonung der strapazierten Spieler aber „einen Vorrang“ einzuräumen.

Zum zweiten Mal in diesem Turnier nach dem bedeutungslosen letzten Vorrundenmatch gegen Serbien in Berlin bekommen die deutschen Handballer die Möglichkeit, ein WM-Spiel zum Durchschnaufen zu nutzen und das könnte sich nach der Analyse von Abwehrchef Hendrik Pekeler in den Medaillenspielen am Freitag und Sonntag auszahlen.

„Es hat sich ja in den vergangenen Jahren schon gezeigt, dass sich alle Mannschaften am Ende der großen Turniere schwerer tun, im Angriff erfolgreich zu sein“, erklärte der Hüne. „Nach so vielen Spielen in kurzer Zeit wird die Müdigkeit größer und die Angreifer springen vielleicht einen oder zwei Zentimeter weniger hoch. Dadurch verändert sich der Wurf und es wird etwas leichter für die Abwehrreihen.“

Besonders starke Müdigkeit

Die Müdigkeit, der größte natürliche Feind des Handballers bei einem Großturnier, fühlten die deutschen Spieler gestern besonders, denn sie mussten in der „Defensivschlacht“ gegen die Kroaten über die eigenen Grenzen hinausgehen. Die 19.000 Zuschauer in der Lanxess-Arena puschten die DHB-Auswahl zu einer nicht für möglich gehaltenen Energieleistung, die Grundvoraussetzung war, um das starke Team vom Balkan hauchdünn 22:21 zu schlagen.

„Ich bin überglücklich darüber, wie sich die Mannschaft aus schweren Situationen befreit hat, wie sie Rückschläge weggesteckt hat“, erklärte Prokop. Angestachelt vom herausragenden Fabian Wiede, der in den kritischen Phasen eindrucksvoll Verantwortung übernahm, rangen die Deutschen die Kroaten nieder – und verschafften sich damit eine kleine mentale und körperliche Pause.

Folgt man der Analyse von Pekeler, könnte die ein wichtiger Vorteil für die Deutschen in einem Halbfinale sein, ein anderer vielleicht sogar noch größerer ist die gedankliche Fortführung der Aussagen des Kreisläufers. Durch den Kräfteverschleiß bei den Spielern, die sich in erster Linie auf das Angriffsspiel auswirken, bekommen die Abwehrreihen eine noch größere Bedeutung.

Erholungspausen für besonders strapazierte Spieler

„Wenn alle müde sind, ist es leichter, Würfe zu verteidigen als Tore zu werfen“, sagte Pekeler. Das müsste den Deutschen entgegenkommen, denn die verfügen nach allgemeiner Einschätzung über die beste Defensivreihe bei der Weltmeisterschaft. „Wir stellen die beste Abwehr der Welt“, sagte gar DHB-Vizepräsident Bob Hanning.

Gegen die Spanier ist denkbar, dass die nachlassende Intensität die Abwehrleistung beeinträchtigt. Das ist eingepreist in das Vorhaben, den besonders strapazierten Spielern Erholungspausen zu geben. Dabei soll Tim Suton mithelfen, der gestern nach Köln reiste und den Platz von Martin Strobel einnimmt. Der Spielmacher der HBW Balingen-Weilstetten riss sich in der Anfangsphase gegen die Kroaten das vordere Kreuzband im linken Knie und wurde durch den Lemgoer ersetzt.

Vor seiner Abreise hatte sich Strobel noch von der Mannschaft mit emotionalen Worten verabschiedet. „Da war man nah am Wasser gebaut“, berichtete Pekeler. Fortan wollen die Spieler des deutschen Teams auch für Strobel siegen – ganz unabhängig vom Kräfteverschleiß.

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