Hamburg und Kiel kooperieren: Gefangenenaustausch im Norden

Schleswig-Holstein plant Lübecker Frauenstrafvollzug an neues Frauengefängnis in Hamburg abzugeben. Dafür bekäme Neumünster Hamburgs Jugendhäftlinge.

Dem Hamburger Senat ist das zu teuer: In der Jugendarrestanstalt Hahnöfersand. Foto: Patrick Lux (dpa)

HAMBURG taz | Schleswig-Holstein und Hamburg setzen auf Nähe: Die benachbarten Bundesländer planen im Strafvollzug noch enger zu kooperieren, als sie es ohnehin tun. „Wir sind im Gespräch“, bestätigt Hamburgs Justizbehördensprecherin Marion Klabunde: Man prüfe „verschiedene Optionen“.

Nach taz-Informationen geht es konkret um die Verlegung des schleswig-holsteinischen Frauen-Strafvollzugs aus dem Gefängnis Lübeck-Lauerhof nach Hamburg, genauer in das neue Frauengefängnis im Stadtteil Billwerder.

Im Gegenzug soll der Hamburger Jugendvollzug vom Jugendgefängnis im schleswig-holsteinischen Neumünster besorgt werden. „Wir erörtern, was möglich und was sinnvoll ist“, sagt Oliver Breuer, Sprecher des Kieler Justizministeriums. „Es ist aber noch nix spruchreif.“

Die Zurückhaltung mag mit Vorsicht zu begründen sein: In Hamburg erinnern sich Beobachter noch lebhaft an den Aufschrei, als die damalige Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) 2013 aus Kostengründen den Frauenvollzug Hahnöfersand mit seinen 100 Haftplätzen in das Männergefängnis Billwerder verlegen ließ.

Das Ausschöpfen von Synergien ist in der Justiz im Norden nichts Neues, obwohl die Strafvollzugsgesetze wegen des Föderalismus unterschiedlich sind.

Das Zentralkrankenhaus im Hamburger Untersuchungsgefängnis etwa wird auch von Schleswig-Holstein genutzt: Wenn ein als gefährlich eingestufter Strafgefangener erkrankt.

Der Staatsschutzsenat am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg verhandelt auch Verfahren aus Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.

Im Abschiebegefängnis Rendsburg kamen auch Abschiebehäftlinge aus Hamburg unter. Dort nämlich saßen sie in einem normalen Gefängnis, was nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof nicht legal ist.

Experten und Oppostion –damals auch die inzwischen mitregierenden Grünen –befürchteten, dass da ein bundesweit anerkanntes Konzept zur Resozialisierung auf der Strecke bleiben könnte; auch herrschte Sorge, dass die Frauen, nur durch Zäune von den 650 Männern getrennt, Anmachen und sexualisierter Gewalt ausgesetzt sein würden und Prostitution kaum schwer zu verhindern sein werde.

Im Koalitionsvertrag mit der SPD haben die Hamburger Grünen durchsetzen können, dass weibliche Häftlinge nun auf einem separaten Areal untergebracht werden und das Konzept aus Hahnöfersand –Wohnen, Arbeiten, Qualifizierung, Ausbildung und soziale Dienste auf engem Raum –weiter realisiert wird. Eine Folge: Der Umzug ist immer noch nicht über die Bühne, denn in Billwerder wird noch gebaut.

Auch wegen der dabei anfallenden Kosten soll nun offenbar der Umfang des Frauenstrafvollzug vergrößert werden –durch Frauen aus Schleswig-Holstein. „Wir möchten die Arbeitsstruktur, insbesondere für die Bediensteten, verbessern und Synergieeffekte nutzen, indem wir den Vollzug verdichten“, sagt Hamburgs Justizbehördensprecherin Klabunde.

Konzeptionell wäre das Hahnöfersand-Konzept mit den Bedingungen in Lübeck-Lauerhof kompatibel: Dort haben die meisten der 80 Insassinnen tagsüber Umschluss und können gemeinsam Aufenthaltsräume nutzen.

Was den personalintensiven Jugendstrafvollzug angeht, plant Hamburgs Senat die Einrichtung auf der Elb-Halbinsel Hahnöfersand nahe dem niedersächsischen Jork bis 2018 zu schließen, weil dort Gebäude mit Millionenaufwand saniert werden müssten; zudem sinkt die Zahl jugendlichen Strafgefangener stetig.

Bei den Oppositionsparteien stoßen die konspirativen Verhandlungen auf Kritik. „In Neumünster ist es für Jugendliche noch schwerer Besuch zu aus Hamburg zu bekommen“, beklagt etwa der Hamburger Linkenabgeordnete Martin Dolzer. Wohnort- und damit familiennahe Unterbringungen gerade bei weiblichen Gefangenen sei erfahrungsgemäß „das wichtigste Standbein für eine gelingende Resozialisierung“, moniert aber auch die Kieler CDU-Abgeordnete Barbara Ostermeier.

Jugendliche und Frauen hätten in der Regel noch familiäre Bindungen. „Mit dem Plan würde Schleswig-Holstein die Verantwortung für die Resozialisierung aller weiblichen Straftäter an Hamburg delegieren“, sagt Ostermeier. Dort aber würde für die Frauen das weniger moderne Hamburger Strafvollzugsgesetz gelten, das Lübecker Resozialisierungs-Netzwerk fiele weg.

Sowohl Ostermeier als auch Dolzer fürchten vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden: Schleswig-Holsteins Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) und Grünen-Senator Till Steffen haben intern eine Entscheidung bis Ende des Jahres verabredet.

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