Hamburger Linke zerlegt sich: Heyenn nicht mehr links

Ein beschleunigter „Prozess der Entfremdung“: Dora Heyenn, langjähriges Aushängeschild der Linken in Hamburg, tritt aus der Partei aus.

Dora Heyenn

Jetzt offiziell: Dora Heyenn ist nicht mehr links Foto: dpa

HAMBURG taz | Die dreimalige Spitzenkandidatin der Hamburger Linken bei Wahlen zur Bürgerschaft, Dora Heyenn, ist aus der Linkspartei ausgetreten. „Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen mir und der Fraktion und dem Landesvorstand ist für mich nicht mehr gewährleistet“, erklärte die 66-Jährige am Freitag bei einem Pressegespräch im Rathaus.

Die langjährige Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft war bereits am 2. März aus der Fraktion ausgetreten und sitzt seitdem als unabhängige Abgeordnete im Landesparlament. Ihr Mandat, so kündigte sie jetzt an, wolle sie behalten. Sie stehe „im Wort“ für 27.591 Direktstimmen, die sie bei der Wahl im Februar erhalten hatte.

Die inzwischen pensionierte Lehrerin war bis 1999 Mitglied der SPD gewesen. Von 2008 bis 2015 war sie Fraktionsvorsitzende der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft. Sie hatte bereits 2008 und 2011 als Spitzenkandidatin die Linkspartei in die Bürgerschaft geführt und sich dort parteiübergreifenden Respekt erworben. Im erneut erfolgreichen Wahlkampf 2011 steigerte die Linke ihr Wahlergebnis von 6,4 auf 8,5 Prozent. Erstmals hatte die Partei mit Kopfbildern ihrer Spitzenkandidatin und dem Slogan „Mehr Menschlichkeit, das muss schon drin sein“ geworben – was Heyenn nach der Wahl aus Parteikreisen den Vorwurf des Personenkults einbrachte.

Auf der ersten Sitzung der Fraktion am 2. März fiel Heyenn allerdings bei der Wahl zur Fraktionschefin durch, die Linke wird seitdem von der weiblichen Doppelspitze Sabine Boeddinghaus und Cansu Özdemir geführt. Auf einem Landesparteitag drei Wochen später wurde hart über den Vorgang gestritten. Es fielen Begriffe wie „Betrug am Wähler“ und „Heuchelei“, andere wiederum sprachen von „Unfall“ und „Denkzettel“.

Keine Basis mehr für gemeinsame Politik

Heyenn selbst zeigte sich tief betroffen von ihrem Aus: „Ich war platt. Kein Mensch hatte mit mir gesprochen. Das Vertrauensverhältnis hat sich seitdem nicht verbessert“, stellte sie klar. Mehr als hundert Parteimitglieder hatten in einem offenen Brief die Rückkehr Heyenns gefordert, eine Mehrheit der Delegierten verlangte von beiden Seiten „vertrauensbildende Maßnahmen, um eine Rückkehr zu ermöglichen“.

Die Tür der Fraktion stehe für Heyenn weiter offen, sagte daraufhin Boeddinghaus. Seitdem herrscht Funkstille zwischen den Beteiligten. „Wir grüßen uns, klar“, sagte Heyenn im Juni in einem taz-Interview. „Und mit einigen Abgeordneten der Linken gibt es auch eine politische Zusammenarbeit. Aber die ist punktuell und von den Personen abhängig.“

Die neuen Fraktionschefinnen hätten keineswegs das Gespräch mit ihr gesucht, beklagt Heyenn nun. Auf ihre schriftlichen Vorschläge und Fragen habe sie nicht einmal eine Antwort erhalten. „Der Prozess der Entfremdung beschleunigte sich immer deutlicher“, so Heyenn, deshalb gebe es keine Basis mehr für eine gemeinsame Politik.

Sie selbst wolle als unabhängige Abgeordnete in der Bürgerschaft weiterarbeiten. Dem Parlament „tut es gut, eine Abgeordnete in ihren Reihen zu haben, die nicht an eine Fraktionsdisziplin gebunden ist“, sondern mit anderen Fraktionen und dem Senat „konstruktiv zusammen arbeiten“ wolle.

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