Hamburger Uni-Protest: Zelten gegen Kürzungsorgie

Aus Protest gegen die Einschnitte in Hamburgs Bildungsetat haben Studierende in Rathausnähe ein Camp errichtet. Ihre Gegner sind der Wind, der Regen und Olaf Scholz.

Auf dem Rathausmarkt: Zunächst wurde noch diskutiert, später griff die Polizei zum Pfefferspray. Bild: dpa

HAMBURG taz | Es stürmt in Hamburg. Kein Campingwetter. Dennoch hocken etwa 50 Studierende am Jungfernstieg an der Alster unter einer überdimensional großen Plane. Darunter haben sie acht Zelte aufgebaut. Ihr Lager ist die Weiterführung eines Protestes, der mit 15.000 Demonstrierenden am vergangenen Dienstag seinen Höhepunkt fand.

Studierende, Lehrende und alle sechs Hamburger Hochschulpräsidenten waren wegen erneuter Kürzungen im Bildungsetat auf die Straße gegangen. Knapp drei Monate war der neue Bürgermeister Olaf Scholz im Amt, schon hatte auch sein SPD-Senat weitere Sparmaßnahmen an den Hochschulen angekündigt. Bis zu 32 Millionen Euro sollen im Wissenschaftsetat gestrichen werden.

Artur Brückmann reicht es. Er studiert Sozialökonomie und hat das Camp mitorganisiert. „Wir haben uns dabei auch etwas von den spanischen Protestcamps inspirieren lassen“, sagt er. In seinem Fachbereich werden zum nächsten Jahr ganze 13 Professurstellen frei. Was ist, wenn diese nicht besetzt werden? Was ist, wenn durch die Sparzwänge einfach niemand mehr eingestellt wird? Brückmann will bis zum Donnerstagabend im Zelt ausharren – so lange ist das Camp offiziell genehmigt.

„Wir wollten so nah wie möglich am Rathaus campieren, damit der Olaf uns auch wahrnimmt“, sagt Brückmann. Der Olaf, wie sie ihn hier nennen, ist überall präsent. Auf T-Shirts, die mit seinem Konterfei besprüht sind, mit dem Untertitel „Wanted Bildungsmörder“. Auf Pappen, die schon den nächsten Entwurf zeigen: einen Totenkopf, auf den ein Pfeil gerichtet ist. O. L. A. F.

Pfefferspray-Einsatz auf dem Rathausmarkt

Obwohl das Camp direkt auf dem Rathausmarkt nicht genehmigt worden war, bauten am Dienstagabend, direkt nach der Demonstration, dennoch einige Studierende dort ihre Zelte auf. Eine Volksküche bot heiße Suppe an. Mehrere Male forderte die Polizei die Studierenden auf, den Platz wieder zu verlassen. Als nicht alle sofort aufbrachen, kamen sie behelmt mit Pfefferspray und beschlagnahmten etwa sieben Zelte.

Der Rathausmarkt war im Vorfeld zur Bannmeile erklärt worden, da zeitgleich die FDP eine Fraktionssitzung abhielt. „Deshalb mussten wir den Platz räumen“, sagt Polizeisprecher Mirko Streiber. Und als die Studierenden nicht freiwillig gehen wollten, wurde eben Pfeffer gesprüht. Streiber sagt, es seien auch Flaschen geflogen. Die Studierenden entgegnen, das Sit-In sei komplett friedlich verlaufen. Die Zelte, die die Polizei mitgenommen habe, seien zum Teil auch kaputt gegangen, so Student Brückmann.

Am Jungfernstieg weht jeder Windstoß die Plane hoch. Die Regenpfützen, die sich in ihrer Mitte gesammelt haben, platschen herunter. Da helfen auch die Fahnenmasten wenig, an denen das Protestcamp mit Schnüren befestigt ist. Die Studierenden lassen sich davon nicht irritieren. Sie sitzen, die Kapuzen ins Gesicht gezogen und in Decken gehüllt, auf dem Steinboden verteilt und hören Peter Birke zu. Der Sozialökonom hält einen Vortrag zur „Geschichte der sozialen Bewegung“.

Während des dreitägigen Camps stehen weitere Vorlesungen und Diskussionen auf dem Programm. Zwischendurch gibt es Nudelsalat und „Chili sin carne“, ein Backgammon-Brett und Spielkarten werden rausgeholt. Ob die Schlafsäcke in dieser Regennacht dicht halten werden, ist ungewiss.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.