Hamburgs SPD wittert Morgenluft: Ein Scholz für alle Fälle

Nach dem Ende von Schwarz-Grün ist Olaf Scholz der lachende Dritte - und Hoffnungsträger für die SPD. Er könnte schon bald eine rot-grüne Koalition anführen

Sieht sich schon als Amtsträger: Ex-Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD). Bild: dpa

HAMBURG taz | Da hatten die Genossen in Berlin noch einmal Glück. Eigentlich wäre der Protestbrief des konservativen Seeheimer-Kreises am Montag Thema im Parteipräsidium gewesen, der Niedersachse Garrelt Duin hatte darin eine klarere Strategie der SPD gefordert. Es hätte unangenehme Fragen gegeben nach der Richtung der Partei in den kommenden Monaten. Denn die SPD ist mehr als ein Jahr nach der Bundestagswahl politisch zwischen Grünen und CDU kaum wahrnehmbar.

Doch seit die Grünen am Sonntag in Hamburg das erste Bündnis mit der CDU auf Landesebene beendeten, hat sich die Stimmung bei den Sozialdemokraten um Spitzenkandidat Olaf Scholz merklich aufgehellt. In Hamburg stehen sie in Umfragen bei 40 Prozent, die Chancen für einen Regierungswechsel bei den Wahlen, voraussichtlich am 20. Februar 2011, sind bestens. Man könnte sagen: Politisch weht ein Hauch der Neunziger über die Hansestadt.

Strahlend betrat Scholz am Montag, leicht verspätet, das Parteipräsidium im Berliner Willy-Brandt-Haus. Der Bundesvize der SPD erläuterte dem Führungskreis der Partei seine Strategie für den kurzen Wahlkampf. Er wolle "Professionalität und Seriosität" herausstellen, sagte er. Denn eins sei klar: "Wahlen gewinnen sich nicht von alleine."

Die gute Ausgangslage täuscht darüber hinweg, dass Scholz die einst stolze Hamburger SPD der Bürgermeister Dohnanyi oder Voscherau vor einem Jahr in desaströsem Zustand übernommen hatte. Die Scheinehenaffäre um seinen ehemaligen Hoffnungsträger Bülent Ciftlik, die Krise um fehlende Stimmzettel bei der Entscheidung zur Spitzenkandidatur vor der Bürgerschaftswahl 2008 und erbarmungslose Streitereien bis in die Niederungen der Partei haben Spuren bei den Genossinnen und Genossen an der Elbe hinterlassen.

Scholz, der als uncharismatisch, aber ausgebufft gilt, will mit den Grünen ein kollegiales Verhältnis pflegen: "Der Gesprächsfaden zu den Grünen ist nie abgerissen", sagte er der taz. "Ich habe es den Grünen nie übel genommen, dass sie mit der CDU koaliert haben. Sie sind eine eigenständige Partei, die auch mehrere Koalitionsoptionen haben kann." Scholz will mit den Themen Bildung, Wirtschaft und Wohnungsbau punkten. "Es fehlen preisgünstige Mietwohnungen", sagte er der taz.

Scholz hatte 2009 im Hamburger SPD-Landesvorstand eindeutige Bedingungen für die Kandidatur als Vorsitzender gestellt. Die Zeit der Personalstreitereien müsse ein Ende haben, forderte er. Wer Kritik an ihm äußern wolle, solle dies zudem sofort tun. Erst als sich niemand meldete, nahm Scholz die Verantwortung an. Mit Erfolg - in der Hamburger SPD ist Ruhe eingekehrt. "Er hat das ausgesprochen gut gemacht", sagt Ralf Stegner, Chef des Nachbarlandesverbands Schleswig-Holstein.

Stegner hofft für die eigenen Wahlen 2012 auf Schwung aus Hamburg, die Bürgerschaftswahlen werden den Auftakt für ein Wahljahr 2011 bilden, in dem es für die SPD vor dem Kollaps der Koalition wenig zu gewinnen gab - das ist mit dem neuen Termin nun anders. "Das ist der beste Auftakt, den wir uns hätten wünschen können", sagte Stegner der taz. Generalsekretärin Andrea Nahles sprach am Montag gar von einem zu erwartenden "haushohen Sieg".

Und die Strategiedebatte? "Die Strategie ist, alle Wahlen zu gewinnen", sagte Andrea Nahles lächelnd. Die unangenehme Richtungsdiskussion wurde vertagt. Im Parteivorstand darf sich Querulant Duin nun erst am 13. Dezember äußern, die Präsidiumsklausur eine Woche später soll weitere Aufschlüsse bringen. Exakt zwei Monate vor der Wahl in Hamburg, dem neuen Hoffnungsanker in der SPD.

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