Hanadi Chawaf über feministische Tattoos: „Es kommt darauf an, wie ich zeichne“

Zum Frauentag veranstaltet Hanadi Chawaf in der Kampnagel-Fabrik Hamburgs erste feministisch-antirassistische Tattoo-Convention.

Hanadi Chawaf in ihrem Tatoo-Laden „Hanadi's Garage“ im Hamburger Schanzenviertel. Foto: Miguel Ferraz

taz: Frau Chawaf, wieso braucht es eine feministisch-antirassistische Tattoo-Convention?

Hanadi Chawaf: Die meisten Conventions werden von Männern für Männer gemacht. Ein paar Frauen sind schön dabei zu haben. Die Convention bucht Frauen als Tattoo-Models, die halbnackt durch die Hallen laufen. Klar, es geht um die Darstellung des Körpers. Aber da laufen Frauen mit einem Tattoo am Arm und einem am Bein rum und haben nur einen Bikini an, weil sie eben schön auszusehen haben.

Aber Männer zeigen dort doch auch ihre Haut.

Wenn ein Mann sich auszieht, dann nicht für ein Tattoo am Oberarm, sondern weil sein ganzer Oberkörper tätowiert ist und er seine Tattoos und Muskeln zeigen will. Ich habe mich immer wieder gefragt: Muss das sein? Ich will Conventions nicht schlecht machen. Es ist toll, sich mit anderen Künstlern auszutauschen. Aber viele Conventions haben einfach ein unangenehmes Flair.

Und wieso antirassistisch?

Es gibt auch Tattoo-Conventions, die von Rassismus geprägt sind. Aber viel wichtiger ist mir einfach, Widerstand zu zeigen. Alle reden über Nazis und die AfD – wir wollen zeigen, dass es auch noch die andere Seite gibt, dass es auch Offenheit in unserer Gesellschaft gibt.

Und bei „Ink About It!“ tätowieren nur Frauen?

Ich war seit drei, vier Jahren auf keiner Convention und habe den Austausch vermisst. Ich habe mir das als coole Aktion am Frauentag vorgestellt, eine feministische Convention. Meine Kolleginnen aus Hamburg, Berlin, Den Haag und Leipzig fanden die Idee gut. Wenn das irgendwann größer wird, können sicher auch Jungs mitmachen. Schließlich gibt es auch Männer, die sich auf einer typischen Tattoo-Convention nicht wohlfühlen. Die wollen wir nicht ausgrenzen.

Hanadi Chawaf42, wurde in Syrien geboren und wanderte mit 20 nach Baltimore aus, um Kunst zu studieren. Seit 2010 betreibt sie ihr eigenes Atelier „Hanadi’s Garage“ im Hamburger Schanzenviertel.

Was bedeutet Feminismus für Sie?

Ich bin eine starke, emanzipierte Frau, also bin ich Feministin. Aber ich bin keine, die schnell beleidigt wird, und versuche, alle so zu akzeptieren, wie sie sind. Ich bin keine Kampffeministin und möchte mich nicht mit Menschen streiten – in erster Linie mache ich das für mich selbst. Und dieses Wort wird oft komisch aufgenommen. Aber eigentlich müssten wir alle Feministinnen sein, wenn wir ein bisschen an uns selbst denken.

Sie stechen am Wochenende feministisch-antirassistische Tattoos. Wie sieht so ein Motiv aus?

Das ist nicht genau festgelegt. Wir sind sieben Frauen, alle von uns sind künstlerisch begabt. Würden wir uns auf „feministische“ Symbole einigen, hätten wir nur sechs, sieben Symbole. Es muss kein zerschlagenes Nazi-Symbol sein, das wäre zu klein gedacht. Wir machen unsere Kunst – und weil wir sie frei machen können, wird es feministisch und antirassistisch.

Also kommen alle Motive in Frage?

Blumen, Frauenköpfe … Das liegt auch im Auge der Künstler*innen, man kann vieles als feministisch interpretieren. Tiere vielleicht weniger. Wobei ich ein antirassistisches Tiermotiv habe: einen pinkelnden Hund. Auch ohne, dass er auf ein Hakenkreuz pinkelt, zeigt das „Attitude“.

Welche typischen Tattoos sind denn sexistisch oder rassistisch?

Ein traditionelles Symbol ist das Tattoo der nackten Frau. Ich finde das kann, je nachdem, wie es gezeichnet ist, auch einfach die Schönheit der Frau zelebrieren. Wenn es „Oldschool“, also simpel, vielleicht ein bisschen spielerisch ist, finde ich das schön. Wenn eine nackte Frau realistischer gezeichnet ist, finde ich das irgendwie sexistisch. Andererseits muss man der Kunst auch ihre Freiheit lassen – das sehen andere vielleicht extremer.

Wann hatten Sie ihr erstes Tattoo?

Ich wollte schon als Kind ein Tattoo, aber in Syrien war das nicht angesagt – als Frau sowieso nicht. Als ich zum Studium in die USA gegangen bin, wusste ich: „Ich tätowiere mich jetzt!“ Mit 26 hatte ich mein erstes Tattoo. In Syrien macht man den Kindern Angst, indem man ihnen erzählt, dass man in die Hölle geht, wenn man sich tätowieren lässt. Mein erstes Tattoo war meine große Rebellion: Eine Fledermaus mit dem Schriftzug „Straight to Hell“, also: „Direkt in die Hölle“.

Und seit wann tätowieren Sie selbst?

Nach dem Kunststudium in Baltimore bin ich nach Los Angeles gezogen und in die Werbebranche gegangen. Weil ich nicht immer mit Computern arbeiten, sondern lieber zeichnen wollte, habe ich nebenbei in Tattoo-Studios rumgehangen und mich ausprobiert. In Hamburg habe ich zunächst als Designerin gearbeitet, mich dann aber vor acht oder neun Jahren als Tattoo-Künstlerin selbstständig gemacht.

Was hat es mit der Frau mit Kopftuch auf sich, die Sie immer wieder zeichnen?

Das ist mein Charakter, den zeichne ich mittlerweile seit über 25 Jahren. Der verbindet meine Herkunft mit dem, was ich jetzt lebe. Er symbolisiert die Mischung aus Kulturen, die ich so mag. Er hat immer etwas Westliches – die Meerjungfrau, zum Beispiel, die wiederum das Kopftuch – also etwas Orientalisches – trägt.

Sie selbst tragen kein Kopftuch.

Das Kopftuch steht für meine Herkunft. Bei meiner Figur schauen Haare aus dem Kopftuch, obwohl man eigentlich keine Haare zeigen darf. Sie ist locker drauf. Ich musste nie ein Kopftuch tragen. Wir durften machen, was wir wollten – nur tätowieren durfte ich mich nicht.

Wäre diese Figur ein feministisch-antirassistisches Motiv?

Das kommt darauf an, wie ich sie zeichne. Manchmal finde ich die Zeichnungen traurig, weil sie darin gefangen ist: Sie muss funktionieren, kochen, eine gute Mutter und eine gute Frau sein. Das möchte ich eigentlich nicht tätowieren. Menschen sollen ihre Tattoos sehen und denken „Ich mach jetzt was!“ Positivere Bilder von dieser Figur habe ich aber schon drei Menschen gestochen. Und bei der Convention kommt eine vierte dazu: Eine Freundin aus dem Iran, die schon als Kind nach Deutschland gekommen ist. Sie musste dort immer Kopftuch tragen, lebt aber hier viel freier. Wir haben ähnliche Kulturen und Ähnliches erlebt. Ich freue mich sehr darauf, ihr ein Tattoo zu stechen – auch noch am Frauentag!

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Dieser Text ist Teil der Sonderausgabe zum feministischen Kampftag am 8. März 2024, in der wir uns mit den Themen Schönheit und Selbstbestimmung beschäftigen. Weitere Texte finden Sie hier in unserem Schwerpunkt Feministischer Kapmpftag.

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