Handball-EM der Frauen: Aufbauwerk mit den Händen

Das DHB-Team wird bei der EM Zehnter. Aber alle sind sich einig: Das deutsche Frauenhandball-Team ist auf einem guten Weg.

Drei Hanballerinnen, eine wirft

Von der Konkurrenz lernen: Kelly Dulfer (Niederlande) wirft, Emily Bölk (l.) und Marlene Zapf schauen zu Foto: dpa

NANCY taz | Es ist ja immer so eine Sache mit den bloßen Zahlen im Sport. Der Satz „Die Tabelle lügt nicht“ hat durchaus eine Berechtigung, doch er sagt nichts über das Gefühl aus, dass sich hinter einer Platzierung verbergen kann. Die Frauen des Deutschen Handballbundes (DHB) haben die Europameisterschaft in Frankreich auf dem zehnten Platz beendet, was angesichts des zwölften Ranges bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr nur eine marginale Verbesserung bedeutet.

Die Perspektive der jungen Mannschaft des neuen Trainers Henk Groener lässt sich in der Abschlusstabelle nicht ablesen – und die ist deutlich freundlicher als vor einem Jahr und wirkt besser, als es noch vor zwei Wochen denkbar war.

Das ganz große Drama blieb am Ende allen erspart und vielleicht war das auch ganz gut so. Als die deutschen Handball-Frauen am Mittwochabend zu ihrem letzten Match bei der Hauptrunde der Europameisterschaft gegen die Niederlande antraten, war klar, dass sie gegen den WM-Dritten aus dem Vorjahr mit zwölf Toren Vorsprung hätten gewinnen müssen, um das Halbfinale erreichen zu können.

Es gibt im Lager des DHB ausreichend viele Optimisten, aber selbst ihnen war klar, dass so etwas außerhalb der Realität lag. Das 21:27 zum Abschluss sorgte deshalb für eine überschaubare Enttäuschung, der Halbfinal-Traum war ja schon durch die Ergebnisse der vorherigen Spiele in der Gruppe geplatzt.

Drei Siege, drei Niederlagen

„Damit können wir zufrieden sein, auch wenn wir gerne noch mehr gehabt hätten. Wir haben sehr viel richtig gemacht und ein sehr gutes Turnier gespielt“, sagte Groener vor der Abreise der deutschen Mannschaft gestern Vormittag aus Nancy. Drei Spiele hatte der Niederländer mit seiner Mannschaft gewonnen, drei Mal war er als Verlierer aus der Halle gegangen – die Bilanz war ausgeglichen, der Gesamteindruck dennoch positiv.

Von der Konkurrenz wurde dieses Empfinden geteilt. „Mit Deutschland wird man in Zukunft rechnen müssen“, sagte Norwegens Trainer Thorir Hergeirsson. Die niederländische Trainerin Helle Thomsen erklärte: „Henk kann stolz auf diese Mannschaft sein.“

Norwegens Trainer Hergeirsson

„Mit Deutschland wird man in Zukunft rechnen müssen“

Der Trainer der deutschen Frauen ist stolz auf die Entwicklung, die seine Mannschaft seit seinem Dienstantritt zu Beginn dieses Jahres genommen hat – und vermutlich ist es perspektivisch sogar besser, dass sie nicht schon bei dieser EM den Sprung unter die besten Vier geschafft hat. „Wir haben gemerkt, dass wir noch nicht da sind, wo wir hin wollen, dass wir von der Weltspitze noch entfernt sind“, lautete die Analyse von Groener.

Der Niederländer trainierte die Nationalmannschaft seiner Heimat zwischen 2009 und 2016 und führte sie so nachhaltig in die Weltspitze, dass sie seit 2015 bei allen großen Turnieren mindestens das Halbfinale erreichte. Bei der EM in Frankreich gab es Hinweise darauf, dass der Handballlehrer mit seinem aktuellen Team vor einer ähnlichen Entwicklung stehen könnte.

Rücktritte und Umbruch

Nach der Heim-WM im vergangenen Jahr gab es durch den Rücktritt vieler älteren Spielerinnen einen durch äußere Umstände erzwungenen, gleichzeitig aber auch gewollten Umbruch. In Frankreich trat Deutschland mit einer blutjungen Mannschaft an, die zweitjüngste im Turnier. Auf den Schlüsselpositionen gab es sogar kein Team, das jünger besetzt war. Deshalb hat Deutschland einen Kader, der der Fantasie Flügel verleiht. „Die gute Arbeit der Deutschen wird schon bald Früchte tragen“, sagte Rumäniens Coach Am­bros Martin, der die DHB-Auswahl auf dem Weg ins Halbfinale schlug – dieses Mal noch.

Neben Supertalent Emily Bölk, die gerade 20 Jahre jung ist und der viele Experten zutrauen, eine der besten Spielerinnen der Welt werden zu können, tummelten sich auf dem Spielfeld im Rückraum Alicia Stolle, Alina Grijseels (beide 22) und Xenia Smits (24). Am Kreis wechselten sich Meike Schmelzer und Julia Behnke (beide 25) ab, im Tor war Dinah Eckerle (23) die Nummer eins.

Sie alle sollten ihre beste Zeit noch vor sich haben, trugen aber schon jetzt viel Verantwortung. Im Kader waren mit Mia Zschocke (20) und Amelie Berger (19) schon die nächsten Spielerinnen mit großem Talent, im Kader der Eliteförderung des Verbandes sind elf der 16 Plätze durch Mädchen besetzt. Die Perspektive stimmt.

„Ich hoffe, dass die Mädels bald verstehen, wie gut sie sein können“, sagte Groener während des Turniers in Frankreich. Schließlich reicht Talent allein nicht aus, um erfolgreich zu sein. Das Wissen um die eigene Stärke und das Selbstverständnis, diese auch zeigen zu wollen, müssen sich in den kommenden Monaten und Jahren noch entwickeln. Gelingt dieser Schritt, gibt es bald nicht nur Lob von den Trainern der Konkurrenz, dann werden sie vermehrt Niederlagen gegen die deutsche Mannschaft erklären müssen.

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