Hans-Jürgen Papier über AKW-Laufzeiten: "Zustimmungspflichtig nach Artikel 87c"

Er bleibt dabei: Der Bundesrat muss bei der Verlängerung der AKW-Laufzeiten zustimmen. Das begründet der Ex-Präsident des Verfassungsgerichts nun in einem Fachartikel.

"Jede nicht nur unwesentliche" Veränderung bedarf der Zustimmung des Bundesrats", meint Hans-Jürgen Papier. Bild: dpa

FREIBURG taz | Hans-Jürgen Papier lässt sich nicht beirren: Die geplante Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ist nur mit Zustimmung des Bundesrats zu haben. Dies schrieb der Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts jetzt in einem Aufsatz für die Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ). Die Expertise, die in der kommenden Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift erscheinen soll, liegt der taz vor.

Papier ist die wohl wichtigste Stimme, die von einer generellen Zustimmungspflicht des Bundesrats ausgeht. Immerhin war er acht Jahre lang Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Erst im März diesen Jahres schied er in Karlsruhe aus und lehrt jetzt wieder Staatsrecht in München.

Es war deshalb ein Coup, dass Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) im Frühjahr ausgerechnet Papier für ein Gutachten zur entscheidenden Bundesratsfrage gewinnen konnte. Denn allen ist klar, dass letztlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden muss, ob die Bundesregierung mit ihren Plänen zum Atom-Rollback durchkommt oder nicht. Da Schwarz-Gelb seit der NRW-Wahl im Bundesrat keine Mehrheit mehr besitzt, sind nur Pläne realisierbar, die ohne Zustimmung der Länderkammer auskommen.

Schon im Mai legte Papier sein Gutachten vor: Jede Laufzeitverlängerung benötige eine Zustimmung des Bundesrats. Papier war damit deutlich strenger als sein Auftraggeber Röttgen und die Experten der Bundesregierung, die zumindest eine "moderate" Laufzeitverlängerung ohne Zustimmung der Länderkammer für möglich hielten.

Damit hat sich Papier, der CSU-Mitglied ist, bei den Konservativen keine Freunde gemacht. Volker Kauder, der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag griff ihn sogar frontal an. Das Bundesverfassungsgericht "braucht die öffentlichen Belehrungen von Herrn Papier nicht", sagte Kauder Anfang September und bezeichnete das Gutachten als "eine besondere Respektlosigkeit des ehemaligen Präsidenten."

Inhaltlich geriet Papier unter Druck, als im Juni ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einer ganz ähnlichen Frage veröffentlicht wurde. Danach ist im Bereich des Luftverkehrs keine Zustimmung des Bundesrats erforderlich, wenn die Änderung eines Bundesgesetzes bei den Ländern nur zu einer "quantitativen Erhöhung der Aufgabenlast" führt.

Das Deutsche Atomforum und sein Gutachter, der emeritierte Rechtsprofessor Rupert Scholz, frohlockten sofort. Dieses Urteil sei auch auf die Laufzeitenfrage übertragbar. Auch bei der Verlängerung der AKW-Laufzeiten handele es sich um eine "bloß quantitative Erhöhung der Vollzugslasten". Die Forderung nach einer Bundesratszustimmung erklärte Scholz deshalb zur irrelevanten "Scheindebatte".

Doch jetzt kontert Papier in seinem demnächst erscheinenden Aufsatz. Er weist die Atomfreunde darauf hin, dass es in beiden Fällen um ganz unterschiedliche Konstellationen gehe, die auch in unterschiedlichen Grundgesetz-Artikeln geregelt seien. So sei die Luftverkehrsverwaltung eigentlich Bundesverwaltung, die mit Zustimmung des Bundesrats als Auftragsverwaltung auf die Länder übertragen werden kann (Artikel 87d). Dagegen bestehe im Atomrecht grundsätzlich Landesverwaltung, die aber mit Zustimmung des Bundesrats in eine Bundes-Auftragsverwaltung verändert werden kann (Artikel 87c). Die Übertragung der Karlsruher Luftverkehrs-Entscheidung auf die Laufzeiten-Frage sei deshalb "nicht zwingend" und auch "nicht angezeigt".

Papier hält daran fest, dass jede "nicht nur unwesentliche" Veränderung der Auftragsverwaltung im Atomrecht der Zustimmung des Bundesrats bedarf. Denn in der Auftragsverwaltung setzten sich die Länder ganz dem sachlichen Weisungsrecht des Bundes aus, obwohl sie nach außen immer noch die rechtliche Verantwortung tragen. Die Verlängerung der AKW-Laufzeiten sei eine "nicht nur marginale, sondern wesentliche Änderung des bestehenden Atomrechts und damit zustimmungsbedürftig nach Art. 87c Grundgesetz", so der Kern von Papiers Argumentation.

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