Hautkrebsfrüherkennung: Krankenkassen müssen endlich zahlen

130.000 Menschen erkranken jährlich an Hautkrebs. Nach langer Diskussion müssen die gesetzlichen Krankenkassen nun Screenings ab Juli 2008 bezahlen.

Bei einem Modell-Screening in Schleswig-Holstein mit 350.000 Teilnehmern wurden bei 3000 Menschen Tumore entdeckt. 600 waren bösartig. Bild: dpa

BERLIN taz Vier Geschwüre haben die Ärzte Mike Minehan rausgeschnitten, an Schulter, Schenkel und Wade. Zwei weitere werden noch verarztet. Seit 18 Monaten wird der 61-Jährige immer wieder im Haut Tumor Centrum der Berliner Charité behandelt. "Wäre ich vor zwanzig Jahren zum Arzt gegangen, wäre mir viel erspart geblieben", sagt Minehan.

Damit Fälle wie dieser früher erkannt werden, müssen die gesetzlichen Krankenkassen von Juli 2008 an für Versicherte ab 35 Jahren alle zwei Jahre ein Hautkrebs-Screening bezahlen. Dies hat der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kassen und Kliniken, das höchste Selbstverwaltungsgremium im Gesundheitswesen, am Freitag mitgeteilt. Sowohl Hautärzte als auch Hausärzte dürfen screenen, Letztere müssen sich aber vorher schulen lassen. Bei Verdacht auf Hautkrebs kommt immer ein Dermatologe ins Spiel, um den Befund zu prüfen.

Seit Jahren schon hatten Experten ein flächendeckendes Screening gefordert. Doch die Krankenkassen mauerten lange, nur einzelne bezahlten bisher freiwillig die Früherkennung, um im Vergleich zu Konkurrenten damit werben zu können.

Dabei sind die Zahlen dramatisch: Nach Schätzungen der Deutschen Krebshilfe erkranken jedes Jahr rund 130.000 Menschen neu an Hautkrebs, darunter bis zu 20.000 am besonders gefährlichen bösartigen Melanom, dem sogenannten schwarzen Hautkrebs. Hier liegt die Sterblichkeit bei rund 20 Prozent. Laut Eckhard Breitbart von der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention nimmt die Hautkrebsrate jährlich um 7 Prozent zu. Schuld daran ist vor allem die UV-Strahlung, der sich die Menschen beim Sonnenbaden oder im Solarium aussetzen. "Hautkrebs ist zu einem gesellschaftlichen Problem geworden", sagt Breitbart.

Ein Modellprojekt, das in Schleswig-Holstein 2003 und 2004 durchgeführt wurde, hatte die Vorteile eines flächendeckenden Screenings aufgezeigt. Bei den rund 350.000 Teilnehmern wurden 3.000 Tumore entdeckt, davon rund 600 bösartige Melanome. Die Hälfte der Melanome wurde in einem solch frühen Stadium entdeckt, dass sie ohne Weiteres entfernt werden konnten. "Kein einziger Patient müsste an Hautkrebs sterben, wenn man ihn nur früh genug erkennt", sagt Eggert Stockfleth, Oberarzt am Haut Tumor Centrum in Berlin.

Dass das Hautkrebs-Screening nun dennoch erst nach langer Diskussion eingeführt wird, hat jedoch auch gute Gründe. Denn bei der Früherkennung von Krebs sind der Nutzen der Untersuchung und mögliche Schäden der Patienten abzuwägen. Bei der Brustkrebsuntersuchung etwa sind Frauen Röntgenstrahlen ausgesetzt. Problematisch sind auch falsche positive Befunde, die Patienten psychisch belasten oder zu unnötigen Eingriffen führen können. Im Juli dieses Jahres musste die Bundesregierung darum eine in der Gesundheitsreform festgelegte Pflicht, zur Früherkennung zu gehen, wieder zurücknehmen.

Beim Hautkrebs-Screening sind die möglichen Schäden einer Untersuchung nach Meinung der Experten jedoch gering. "Hautkrebs eignet sich sehr gut für eine Früherkennung", sagt Eva Kalbheim, Sprecherin der Deutschen Krebshilfe.

Mike Minehan hat die Flecken auf seiner Haut lange ignoriert. Dabei war der gebürtige Neuseeländer jahrelang der Sonne ausgesetzt, lange hat er auf einer Farm gearbeitet - ohne T-Shirt und Mütze. "Mit 23 denkst du, dass du unsterblich bist", sagt Minehan. Heute erst weiß er, was er seiner Haut damit angetan hat.

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