Heide Simonis zur Wahl in NRW: „Frauen tun einander nicht so weh“

Heide Simonis über die junge Frau Kraft, weiblichen Führungsstil in der Politik, harte Planung und warum es meist eines Unfalls bedarf, damit Frauen eine Chance gegeben wird.

Sagen nicht so schnell „basta“: Frauen an der Macht. Bild: dpa

taz: Frau Simonis, hat mit Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann in Nordrhein-Westfalen ein neuer Politikstil gewonnen?

Heide Simonis: Ja, unbedingt. Das war nicht nur ein Sieg eines rot-grünen Bündnisses, sondern vor allem einer von zwei Frauen.

Ist deren Stil denn so mütterlich, wie überall zu lesen ist?

Es ist eine Art Politik zu machen, die nicht aggressiv ist und basta sagt, sondern die sagt: Erzähl du doch mal, wie siehst du das, wir erarbeiten die Lösungsvorschläge gemeinsam. Dazu gehört, dass sich Frauen in der Politik untereinander nicht so wehtun wie Männer. Kraft hat auch immer gezeigt, wie sehr sie ihre Familie – Mann und Sohn – braucht. All das wird in der Tat als weiblicher Stil gesehen. Männer in der deutschen Politik können sich so etwas jedenfalls kaum vorstellen.

Blieb Kraft in ihrer Minderheitsregierung überhaupt etwas anderes übrig, als auf andere Fraktionen zuzugehen?

68, war von 1993 bis 2005 Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein. Sie war die erste Frau, die ein Bundesland regierte.

In der Tat sind etwa die skandinavischen Länder schon seit vielen, vielen Jahren mit Minderheitsregierungen aller Art vertraut und haben gleichzeitig schon immer Frauen in Führungspositionen. Ursache und Wirkung sind dabei schwer auseinanderzuhalten – zumal in Skandinavien außerdem der Konsens über die Notwendigkeit von Gleichberechtigung viel stärker ist.

Wirkt sich ein bestimmter Politikstil überhaupt auf die politischen Ergebnisse aus?

Politikstil hat erst einmal auch Auswirkungen auf die Themenwahl. Das sieht man an den Piraten, bei denen Transparenz und Freiheitsbegriff sowohl Form als auch Inhalt prägen.

Die Piraten regieren aber nicht und müssen darum keine Entscheidungen für alle treffen.

Für ein Land wie Nordrhein-Westfalen – ein Brocken in der Größe mancher europäischer Nation – bedeutet dieser Politikstil, dass die sehr, sehr harte Abkehr von Kohle, Stahl und Schwerindustrie behutsam moderiert werden muss …

und am Ende sind in jedem Fall die Zechen dicht und die Kommunen pleite. Wird da nicht bloß die unschöne Aussicht mit Gefühl zugekleistert?

Nicht, wenn man eine knallharte Planung hat, wohin man mit dem Land möchte und was es braucht – wie Hannelore Kraft. Um das Beispiel der Kommunen zu nehmen: Natürlich ist es richtig, die Städte vor den Auswirkungen der Spar- und Schuldenabbaugesetze in Schutz zu nehmen und gegen die unfairen Belastungen durch den Solidarpakt vorzugehen.

Sie waren als Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein die erste Ihrer Art. Nun gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Ministerpräsidentinnen. Erkennen Sie ein Muster, dem der Erfolg dieser Frauen folgt?

Ein Punkt gehört sicher dazu: Es bedarf meist eines Unfalls, einer besonderen historischen Situation, dass einer Frau die Chance gegeben wird – bei mir die Folgen der Barschel-Affäre, bei Christine Lieberknecht in Thüringen ein Skiunfall, und so weiter. Auf die eine Katastrophe kann sozusagen dann auch die andere Katastrophe folgen. Das gilt unterschiedslos für CDU wie SPD.

1996 wurde Ihnen die K-Frage gestellt, als Schröder, Lafontaine und Scharping um die SPD-Kanzlerkandidatur rangen. Sie lehnten ab. Warum sollte Kraft heute nicht mitspielen?

Sie hat sich sehr, sehr festgelegt, dass sie im Land bleiben will. Das hat ihrer Glaubwürdigkeit gedient und zu ihrem Erfolg geführt. Dies gilt umso mehr, als ihr Konkurrent Norbert Röttgen sich auf die Frage nach seinem Verbleib wand wie ein Aal, was wohl auch Grund für seine Niederlage war. Es müsste wirklich etwas ganz Schreckliches passieren, um zu begründen, dass Kraft nicht in Düsseldorf bleibt. Aber sie ist ja noch jung. Sie hat Zeit.

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