Heikle Entscheidung in Brasilien: Battisti wird nicht an Italien ausgeliefert

Als letzte Amtshandlung verweigert der scheidende Präsident Lula die Überstellung des früheren Linksextremisten. Rom reagiert verstimmt und legt ein Abkommen auf Eis.

Cesare Battisti (Mitte) bei seiner Ankunft am Flughafen von Brasilia im März 2007. Bild: dapd

Eine heikle Entscheidung zögerte Luiz Inácio Lula da Silva bis zu seinem letzten Amtstag hinaus: Brasilien wird den früheren italienischen Linksextremisten Cesare Battisti nicht an Italien ausliefern. Zur Begründung verwies der scheidende Staatschef auf ein Gutachten der Generalstaatsanwaltschaft. Es sei nicht auszuschließen, dass sich die Lage Battistis in Italien wegen seiner Vergangenheit als politischer Aktivist verschärfe, heißt es da. Diese Lesart sei auch durch das Auslieferungsabkommen zwischen den beiden Ländern gedeckt, ließ Lula am Freitag erklären.

Rom reagierte pikiert. Am Sonntag sagte Außenminister Franco Frattini, die für Januar geplante Verabschiedung eines "strategischen" Abkommens mit Brasilien werde auf Eis gelegt. Dabei handelt es sich um einen Rüstungsdeal in Höhe von fünf Milliarden Euro über Schiffe, Radaranlagen und Raketen. Premier Silvio Berlusconi erklärte den Fall für nicht abgeschlossen, auch wenn ihn Medien zitiert hatten, bei so einem wie Battisti sei es fast besser, ihn nicht im Land zu haben, da er den Staat im Gefängnis auch noch Geld koste.

Frattini kündigte an, man werde beim Obersten Gerichtshof in Brasília Einspruch einlegen, notfalls auch beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Lulas Begründung sei absolut inakzeptabel. Nicht Italien sei das Land der Gefolterten und "Verschwundenen", sagte er mit Seitenhieb auf das Militärregime in Brasilien (von 1964 bis 1985).

Als Mitglied der linksextremen Splittergruppe "Bewaffnete Proletarier für den Kommunismus" soll Battisti Ende der 70er Jahre in Italien zwei Morde begangen haben und an zwei weiteren beteiligt gewesen sein. Er beteuerte seine Unschuld und erklärte, dem bewaffneten Kampf zuvor abgeschworen zu haben.

Nach einer ersten Verurteilung 1981 floh er nach Frankreich, später nach Nicaragua und Mexiko. 1990 ließ er sich erneut in Paris nieder, wo er im Rahmen der Mitterrand-Doktrin geduldet wurde. Dort machte Battisti Karriere als Übersetzer und Krimiautor, wurde jedoch zwischenzeitlich in Italien nach Aussagen von Kronzeugen zu lebenslanger Haft verurteilt. Unter Jacques Chirac drohte ihm 2004 die Auslieferung, der er sich durch erneute Flucht entzog. Im März 2007 wurde er in Rio de Janeiro aufgrund eines französischen Haftbefehls festgenommen.

Der Italiener sitzt seither in Brasília in Untersuchungshaft. Politisches Asyl bekommt er nicht, doch nach seiner Freilassung, die nun der Oberste Gerichtshof veranlassen muss, kann er die Einbürgerung beantragen. Die Richter hatten im November 2009 beschlossen, dass Battisti ausgeliefert werden kann, doch zugleich den Präsidenten für zuständig erklärt.

Ganz selbstlos dürfte Lulas Entscheidung nicht gewesen sein. Er wolle sich international als Menschenrechtler profilieren, vermutet der Verfassungsrechtler Joaquim Falcão. Vor allem demonstriert Brasília Eigenständigkeit: Proteste aus Rom im Vorfeld wurden "mit tiefer Verwunderung" über deren Stil zurückgewiesen, "besonders über den unpassenden persönlichen Hinweis auf den Präsidenten".

Auch in Brasilien wird das Pro-Battisti-Votum bis weit ins linksliberale Lager hinein kritisiert. Das fällt nicht ins Gewicht. Lula, der am Samstag der früheren Guerillera Dilma Rousseff die Präsidentenschärpe überstülpte, scheidet mit einer Zustimmungsrate von 87 Prozent aus dem Amt.

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