Heikle Partnerwahl: „Das käme hier nicht in die Tüte“

Auch wenn Alexis Tsipras jetzt mit Rechtspopulisten koaliert, ihre Solidarität mit Syriza braucht Die Linke nicht zu reuen – sagt ihr Landesvorstand Christoph Spehr.

Die Solidarisierung der Linkspartei mit Syriza war notwendig, findet der Landesvorsitzende der Linken, Christoph Spehr Bild: dpa

taz: Herr Spehr, am Sonntagabend hat Die Linke Bremen Wahlparty gefeiert – herrscht am Montag Katzenjammer?

Christoph Spehr: Nein, also bei mir nicht. Ich habe keinen Kater.

Dass Syriza mit den rechtspopulistischen Anexartiti Ellines (Anel) zusammengeht, bereitet Ihnen keine Kopfschmerzen?

Das ist nicht unproblematisch, da haben Sie recht. Der Punkt ist: Die brauchen in Griechenland eine zügige Regierungsbildung, um möglichst schnell und möglichst geschlossen mit der EU und der Troika verhandeln zu können. Und viele Optionen hatte Alexis Tsipras nicht: Eigentlich konnte er nur mit Anel oder mit To Potami zusammen gehen.

Das ist die neue linksliberale Partei.

Alles andere hätte ja die Wechselerwartungen enttäuscht – und auch vom Kurs her nicht zusammengepasst. Und nun ist Pro Potami ja extrem jung, etwa ein Jahr…

Anel wurde 2012 gegründet, ist also nur unwesentlich älter.

Für das, was jetzt die Hauptaufgabe ist, ist Anel jedenfalls nah dran: Also für einen gemeinsamen Verhandlungskurs mit der EU. Dass es sich um eine unangenehme Partei handelt, die Migranten-feindlich auftritt, und schärferes Vorgehen gehen illegale Einwanderungen fordert, ist allerdings höchst beunruhigend.

51, ist seit 2005 Mitglied und seit 2008 Landesvorsitzender von Die Linke. Er ist

Mitarbeiter

ihrer Parlamentsfraktion.

Das heißt: Sobald nur die Schulden und die Notlage groß genug sind, sind auch linke Parteien offen für Zugeständnisse an nationalistische, Ressentiment gesteuerte, xenophobe Kräfte?

Wir wissen ja nicht welche Zugeständnisse Syriza macht. Das ist doch der entscheidende Punkt.

Jedenfalls sind doch die Berührungsängste futsch – und die Querfront steht.

Syriza hatte offensichtlich keine Berührungsängste. Aber das ist nichts Neues. Das war auch in den vergangenen zwei Jahren so: Wenn es um Finanz und Wirtschaftspolitik ging, hat man sich verständigt.

Und wenn’s da passt, wird die halt Menschenrechtsfrage sekundär?

Nein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine links geführte Regierung da Zugeständnisse macht und sagt: Wir müssen die Grenzzäune stärker bewachen. Ich glaube, das weiß Tsipras auch sehr genau: Wenn Syriza etwas an der Menschenrechtsfrage vergeigt, wäre das ganze Projekt desavouiert. Und selbstredend kann man das nicht auf hiesige Verhältnisse übertragen.

Bloß, wenn das Zusammengehen mit der fremdenfeindlichen Anel so absehbar war – hat Die Linke in Bremen und in Deutschland der Syriza nicht zu laut zugejubelt?

Nein, diese Solidarisierung war geradezu notwendig – angesichts der massiven Versuche seitens der europäischen Institutionen und namentlich von Deutschland, diese Wahl zu beeinflussen. Wenn man nur etwas noch von demokratischen Entscheidungen hält, dann musste man da gegen halten, das war völlig richtig.

Nur der Schub, den sich Die Linke auch von dieser Wahl erhofft hat, wird sicher etwas dadurch gebremst, dass der Syriza-Sieg nur zum Erfolg in der Koalition mit Rechtspopulisten wird…?

Wie gesagt, wir wissen nicht, wie weit es die zu bildende Regierung prägen wird, wir wissen nicht, wie lange diese Koalition hält…

Ich dachte, Sie gehen grundsätzlich nicht mit Rechtspopulisten zusammen?

Natürlich. Das käme hier einfach nicht in die Tüte. Das ist völlig klar.

Aber in Griechenland gelten andere Grundsätze?

Es ist eine Gratwanderung, keine Frage. Der Weg der Mitte-Links-Bündnisse ist dort relativ weit verbaut gewesen, andererseits hätten z.B. die Kommunisten den Syriza-Kurs – kein Ausstieg aus dem Euro, aber harte Nachverhandlungen bei den Sparauflagen – gar nicht mitgetragen.

Das heißt, bestenfalls wirkt sich Griechenland gar nicht auf die Bremer Wahl im Mai aus, schlimmstenfalls hat es sich bis dahin so weit isoliert, dass linke Parteien insgesamt kompromittiert sind?

Das glaube ich nicht. Es gibt doch mittlerweile wieder eine breitere Kontroverse um die dominante Austeritäts-Politik, den reinen Kürzungskurs, der sich um Fragen der Versorgung der Bevölkerung und die Wachstumsfrage gar nicht schert, nach dem Motto: Hauptsache, Daumen drauf. Ich denke, da sind wir an einem Punkt, wo es anfängt, zu kippen. Deshalb sind wir als Linke ja so abgenervt davon, dass Bremen jetzt noch schnell eine Schuldenbremse in die Landesverfassung schreibt – wo alle anderen über den reinen Konsolidierungskurs schon hinaus sind.

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