Hertha-Sieg gegen 60er: Richtung Erste Liga

Der 3:0-Sieg gegen München war voller Symbolik. Ein Interpretationsversuch.

Hertha-Stürmer Ramos (M) wird nach seinem 1:0 bejubelt. Bild: dpa

Sicher, man kann sich streng an die Fakten halten. Dann würde man feststellen: Hertha hat im Duell gegen 1860 München am Freitagabend 57 Prozent der Zweikämpfe gewonnen und 1860 eben nur 43; mit 21 Fouls musste der bajuwarische Gast sich behelfen, während Hertha mit 15 Attacken auskam. Und so weiter und so fort. Man würde sehen: Hertha hatte alles im Griff. Eigentlich aber ist so ein Fußballspiel viel mehr Interpretationssache. Es gilt, die Zeichen und Symbole richtig zu lesen. Von denen gab es beim souveränen 3:0-Sieg der Hertha reichlich.

Ein Erfolgssymbol etwa feierte seine Rückkehr zwischen den Pfosten des Olympiastadions: die graue Schlabberturnhose des Gabor Kiraly. Die waberte auch Ende des letzten Jahrhunderts in einer erfolgreicheren Ära der Hertha vor sich hin. Nun flatterte sie im Tor des Gegners aus München. Welch Symbolik, dass genau an dieser Turnhose vorbei drei Bälle ins Tor flogen! Adrian Ramos (55. Minute) und zweimal Änis Ben-Hatira (57. und 77.) bezwangen den Ex-Hertha-Keeper mit Kopf, Rechtsschuss, Linksschuss. Dennoch sagte der bezwungene Kiraly nach dem Spiel: „Auch Hertha wird es noch schwer haben in der Liga. Es gibt etwa sechs Mannschaften, die aufsteigen können.“ Die Hertha, mittlerweile seit sieben Partien ohne Niederlage und mit 18 Punkten auf Platz 2 der Tabelle, scheint das derzeit am stärksten einzuschätzende Team dieser „etwa sechs“ Teams zu sein.

Rackernder Ramos

Dafür gab es weitere Anzeichen. Zum Beispiel Adrian Ramos. Der wollte kürzlich noch weg aus Berlin. Als die Transferperiode Anfang September abgelaufen war und er immer noch in Diensten der Herthaner stand, war er not so amused. Wer aber befürchtete, dass Ramos seine Zeit nun absitzt, sah sich eines Besseren belehrt: Dieser Ramos ackerte, kämpfte, setzte nach, wenn er den Ball verlor! Und schließlich traf er zur wichtigen Führung mit einem Kopfstoß, den man besser nicht platzieren kann.

Dennoch: Wenn man Mannschaftskapitän Peter Niemeyer – nach einem guten Viertel der Saison – auf das Saisonziel Wiederaufstieg anspricht, reagiert der zickig bis verschnupft. „Es ist Oktober, da beschäftige ich mich nicht mit so was. Ich sehe nur, dass ich mir um meine Mannschaft keine Sorgen machen muss, wenn sie mit solch einer Leidenschaft spielt.“ Und dass man mit den Fans eine Riesensause nach dem Erfolg feierte? „Ich finde es legitim, nach einem Sieg gegen ein bisher ungeschlagenes Team zu feiern.“ Was sagen uns Niemeyers Aussagen? Diese Mannschaft geht unter seiner Führung einen entschlossenen Weg. Geradlinig nach oben. Klar, wo diese gerade Linie hinführt.

Fans trotzen dem Wetter

Und, apropos Fans: Bei ungemütlichem Herbstwetter und Nieselregen, der genau in die Ostkurve wehte, fanden 32.500 Zuschauer den Weg ins Olympiastadion, davon gut 30.000 Herthaner. Dabei symbolisierten das Schmuddelwetter und der Berliner Himmel, der in etwa die Farbe von Kiralys Turnhose hatte, eigentlich den Alltag des Zweitligafußballs: rau, zäh, anstrengend. Die Hertha-Fans setzten mit ihren Gesängen dagegen: „Wir sind da, jedes Spiel ist doch klar, Zweite Liga tut so weh, scheißegal BSC!“ Noch ein gutes Zeichen.

Auch die Spieler taten etwas, um den Zweitligaalltag mit fußballerischer Ästhetik zu würzen. Änis Ben-Hatira etwa schloss zum 3:0 mit einem schönen Lupfer ab. Trotz allem Rummel um den Stress mit der DSDS-Freundin („Änis und die Geldbörse“): Ben-Hatira kann sich auf die Arbeit konzentrieren.

Das gelingt derzeit allen recht gut bei der Hertha. Da Zweite Liga vor allem Fußballarbeit bedeutet, sollte auch das ein gutes Zeichen sein. Vorausgesetzt, man deutet richtig.

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