Hessen: Öko-"Ypsi" punktet gegen Atom-Koch

SPD-Spitzenkandidatin für die Wahl im Januar, Andrea Ypsilanti, macht eine Öko-Sommertour - und macht Atomkraft-Befürworter Koch das Leben schwer.

Symbolisch gegen CO2: SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti inmitten schwarzen Luftballons Bild: dpa

BISCHOFSHEIM taz "Die Ypsi" kommt - mit dem Bus. Die "Ypsilanten" sind schon da. Das sind gut 20 Jungsozialisten aus ganz Hessen in hellblauen Shirts mit einem großen roten Y vorne darauf. In sechs Kleinwagen, auch hellblau mit großem rotem Y, waren die jungen Männer und Frauen schon vor ihrer Spitzenkandidatin am Sonnenwerk in Bischofsheim bei Rüsselsheim am Main eingetroffen. Dann steigt "die Ypsi" aus dem Tour-Bus: schwarzer Hosenanzug, roter Pulli, spitze Schuhe. Andrea Ypsilanti (50), Parteivorsitzende der hessischen SPD, Fraktionsvorsitzende im Landtag und Herausforderin von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) bei den Landtagswahlen im Januar 2008, zeigt ihr schönstes Lächeln bei strahlender Morgensonne im Sonnenwerk. Das prosperierende Unternehmen installiert Solaranlagen.

Sie schüttelt Hände und umarmt die Parteifreunde aus der Region. Schließlich ist sie hier fast daheim. Im Rüsselsheimer Stadtteil Königstädten wurde Andrea Ypsilanti 1957 in einen Arbeiterhaushalt hineingeboren. "Opelaner" war der Vater und die Mutter Hausfrau. Heute weist sie gerne darauf hin, dass sie die Erste in der Familie war, die ein Gymnasium besuchen durfte. Und dass sie von den sozialdemokratischen Bildungsreformen in Hessen profitiert habe und nach ihrer Zeit als Sekretärin und Stewardess spät, mit fast 30 Jahren, noch studieren durfte: Soziologie, Politikwissenschaft und Pädagogik.

Ihre Herkunft ist ihr Vorteil. Ypsilanti gewinnt in Hessen für die SPD verloren gegangenes Terrain zurück. Tatsächlich scheinen die sogenannten kleinen Leute, die sich etwa wegen Hartz IV und auch der Kompromisspolitik der großen Koalition in Berlin längst von der SPD abgewandt haben, in Hessen ganz langsam wieder umzudenken. Die letzten Umfragewerte jedenfalls sorgten für Euphorie im Lager von Ypsilanti. Rund 33 Prozent für die SPD suggeriert eine Umfrage von Ende Juli; das wären 4 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Landtagswahl. Und dass die Union von Koch im Gegenzug knapp 10 Prozentpunkte einbüßt und es selbst mit der FDP nicht mehr zur Regierungsbildung reichen würde, ist für Ypsilanti der eigentliche Knaller. "Wir werden das schaffen", sagt sie - "zusammen mit den Grünen."

Dass sie gerade ein grünes Politikfeld erfolgreich beackert, sei da kein Widerspruch, meint die bekennende Linke, die auch die "Wiederherstellung von sozialer Gerechtigkeit" verspricht und "Chancengleichheit durch Bildung" propagiert. Mit ihrer Kampagne ziele sie in die "Mitte der Gesellschaft", sagt sie.

Und da trifft sie aktuell ins Schwarze. Erneuerbare Energien sind das Zukunftsthema. Und Ypsilanti hat es für sich entdeckt, noch bevor in Norddeutschland die Atommeiler aufgrund von Pannenserien stillgelegt wurden; die beiden AKWs im hessischen Biblis sind wegen "Dübelproblemen" ohnehin schon lange vom Netz. Dass jetzt Roland Koch ausgerechnet den Neubau von Atomkraftwerken forderte, spielt ihr in die Hände. Genüsslich fragen etwa die Grünen den Ministerpräsidenten täglich per Fax, wo in Hessen das neue AKW denn gebaut werden solle. Und Ypsilanti strahlt dazu.

Ihre Sommertour ist eine "Ökotour". Zwei Wochen lang geht es im himmelblauen Konvoi quer durch Hessen - am Mittwoch unter anderem noch zu einer Deponiegasanlage, einer Umwelttechnikerschule in Butzbach oder einer Windkraftanlage im Vogelsberg. Für die Fotografen schüttet Ypsilanti Salatöl in den Tank des VW Touran TDI mit dem Pflanzenölantrieb, der ihr ganz persönlicher kleiner Tourbus ist. Dass es für Rot-Grün im Januar nicht reichen werde, selbst wenn die Grünen die prognostizierten 13 Prozent tatsächlich erreichen sollten, ist für Ypsilanti "eine vorschnelle Konklusion". Schließlich habe sie mit ihrem Wahlkampf doch gerade erst angefangen.

Und die Linkspartei? "Kein Thema!" Die "Retropartei" werde in Hessen nicht in den Landtag einziehen. Da ist sie sicher. Und wenn doch? "Kein Thema!" Dann ist nichts mehr zu verstehen. Die "Liesel" röhrt; eines von sechs Aggregaten der Deponiegasanlage. Andrea Ypsilanti, eine Frau, die momentan wohl zu Recht behauptet, dass "ihre Energie jeden Tag erneuerbar ist".

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