Hinrichtungen kurz vor Trumps Abtritt: Gedrängter Exekutionskalender

Staatliches Töten in letzter Minute: Kurz vor der Amtsübergabe lässt US-Präsident Trump noch mehrere Bundesgefangene hinrichten.

Eine Gruppe von Demonstranten protestiert mit Schildern gegen die Todesstrafe

In Indiana wird Anfang Dezember gegen die sich häufenden Hinrichtungen protestiert Foto: ZUMA Wire/imago

NEW YORK taz | Bevor Donald Trump das Weiße Haus verlässt, wollte er verschiedene Dinge erledigen. Dazu gehören Dutzende von Begnadigungen von Angehörigen, von politisch Nahestehenden und von Polizisten und Söldnern, die er bereits unterschrieben hat – unter den Begünstigten sind Wirtschaftskriminelle, aber auch Leute, die „im Dienst“ getötet haben.

Eine andere letzte Erledigung von Trump sind Hinrichtungen, die er durchführen lassen will, bevor sein Amtsnachfolger Joe Biden, ein erklärter Gegner der Todesstrafe, ihr Leben retten kann. Für diese Woche hat Trump den Tod von drei Menschen geplant. Unter ihnen ist eine Frau, die 52-jährige Lisa Montgomery. Nachdem sie zunächst am späten Montag einen Aufschub von einem Bundesrichter in Indiana bekommen hatte, wurde sie in der Nacht zum Mittwoch doch hingerichtet. Um 1.31 Uhr Ortszeit wurde sie in der Todeskammer von Terre Haute in Indiana für tot erklärt.

Montgomery war psychisch so schwer krank, dass ihre Anwälte sie „unzurechnungsfähig“ nannten. Was mit ihr geschah, verstand sie schon lange nicht mehr ganz. Bevor sie 2004 den Mord beging, für den sie zum Tod verurteilt worden ist, war sie durch jahrzehntelange Misshandlungen traumatisiert. Seit dem Alter von sieben war sie zwangsprostituiert worden. In einem flehentlichen Schreiben an Trump bat ihre Schwester um eine Umwandlung der Strafe in lebenslängliche psychiatrische Unterbringung: „Sie hat Kinderhandel und sexuellen Missbrauch erlitten“, schrieb die Schwester.

Doch Trump und seine Justizminister, sowohl der zurückgetretene William Barr als auch der jetzt amtierende Justizminister Jeffrey Rosen, ignorierten diesen Appell genauso wie alle anderen, die darum baten, das Leben von Montgomery zu retten.

Die letzten Todeskandidaten: Zwei Schwarze

Im Juli 2019 hat die Trump-Regierung nach einer fast zwei Jahrzehnte langen Unterbrechung wieder mit Hinrichtungen von Bundesgefangenen begonnen. Dabei hat sie einen nie dagewesenen Eifer an den Tag gelegt.

Montgomery ist die erste Frau seit 67 Jahren, die in einem Bundesgefängnis hingerichtet wurde. Vor ihr sind nur zwei andere Frauen nach Bundesrecht zum Tode verurteilt worden: Ethel Rosenberg wegen Spionage für die Sowjetunion und Bonny Brown Heady wegen Kindesentführung und Mord.

Die beiden letzten Hinrichtungskandidaten von Trump sind Schwarze Männer. Der 52-jährige Corey Johnson soll am Donnerstag hingerichtet werden, der 48-jährige Dustin Higgs am Freitag. Das ist auch der Geburtstag des Schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King.

Beide Männer sind wegen Mordes verurteilt. Johns war als Teenager an Morden von Gangmitgliedern beteiligt. Higgs ist von einem Komplizen, der mit der Justiz zusammengearbeitet und so sein eigenes Leben gerettet hat, beschuldigt worden, mehrere Frauen erschossen zu haben. Doch nach eigenen Aussagen von Higgs und nach Zeugenaussagen hat er gar nicht geschossen.

Chancen für die Abschaffung der Todesstrafe

Beide Männer sind – wie ein großer Teil der US-amerikanischen Gefängnisbevölkerung – mit Covid infiziert. Einer der beiden hat einen IQ unter 70. Die Anwälte der beiden Todeskandidaten haben ihre letzten Anträge auf Umwandlung der Strafen ihrer Mandanten auch mit deren durch Covid schwer geschädigten Lungen begründet. Für beide wäre die Hinrichtung wegen ihrer geschwächten Lungen grausam. „Grausame und ungewöhnliche Strafen“ sind in den USA offiziell verfassungswidrig. Das Oberste Gericht hat auch schon vor Jahren die Hinrichtung von psychisch Kranken verboten.

Gegner der Todesstrafe haben in den zurückliegenden Monaten immer wieder in Terre Haute vor dem Hochsicherheitsgefängnis demonstriert, in dem die Hinrichtungen stattfinden. „Jedes Leben ist wertvoll“ und „Hinrichtung ist keine Lösung“ steht auf ihren Transparenten.

Seit den Präsidentschaftswahlen im November und insbesondere seit den Stichwahlen in Georgia, die den Demokraten eine hauchdünne Mehrheit im Senat verschafft haben, ist die Chance, dass die Todesstrafe auf Bundesebene abgeschafft wird, gestiegen. Mehrere Abgeordnete, darunter Ayanna Presley aus Massachusetts, arbeiten bereits an Gesetzen.

Auch der künftige Vorsitzende des Justizausschusses, der Demokrat Dick Durbin aus Illinois, will in dieser Richtung arbeiten. Sie können im besten Fall nur die Bundestodesstrafe abschaffen. Aber sie hoffen, dass sie auch die zahlreichen Bundesstaaten, die weiterhin Gefangene töten, eines Besseren belehren können.

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Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

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