Hirnforschung: Kein Zucker für die Affen

Der Senat lehnt die neurowissenschaftlichen Experimente mit Makaken ab, weil kein "spürbarer Nutzen" für den Menschen bestehe. Universität verweist auf auf Wissenschaftsfreiheit

Ein Wohlfühl-Makake: In Kreiters Käfig gibt's bedeutend weniger Wasser Bild: DPA

Der Bremer Senat bleibt bei seinem Nein zu den Experimenten mit Makaken an der Bremer Universität. Die Gesundheitsbehörde hat dies mit einer 64-seitigen Begründung unterstrichen und damit den Widerspruch der Universität zurückgewiesen.

Den Antrag auf Fortsetzung der Experimente habe man im vergangenen Jahr aus zwei Gründe nicht genehmigt, argumentiert das Papier: Erstens habe der Biologe Andreas Kreiter "die ethische Vertretbarkeit der Versuche nicht wissenschaftlich begründet". Zweitens gehe der Senat davon aus, "dass die Belastungen der Tiere im Verhältnis zu dem erwarteten Erkenntnisgewinn nicht vertretbar" sei.

Bei dem "erwarteten Erkenntnisgewinn" reichen der Gesundheitsbehörde die Hinweise des Biologen auf "Fortschritte für die Wissenschaft" nicht: Entscheidend sei, "ob daraus ein für die Allgemeinheit spürbarer Nutzen entsteht". Es sei fraglich, "ob die angestrebten Ergebnisse überhaupt im Tierversuch erzielt werden", ob, wenn es Ergebnisse gibt, diese "auf den Menschen übertragbar" sind und schließlich, "wann die angestrebten Ergebnisse erzielt werden".

Beispielhaft unklar ist das rechtliche Verhältnis von Tierschutz und Wissenschaft. So ist umstritten, ob die Bremer Gesundheitsbehörde den Antrag des Neurobiologen Kreiter materiell prüfen durfte. Weil das ein Eingriff in die Forschungsfreiheit ist, durften die Behörden die Anträge bis 2002 nur durch eine "qualifizierte Plausibilitätskontrolle" checken. Unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt es, seit Tierschutz Staatsziel ist. Das einzige rechtskräftige Vergleichsurteil seither stammt vom Verwaltungsgericht Gießen. Es bejaht ein materielles Prüfrecht (Az.: 10 E 1409/03). Die Gesundheitsbehörde greift auf beiden Ebenen an: Sie verneint, dass Kreiter die Belastung der Tiere nachvollziehbar darstellt - die qualifizierte Plausibilitätskontrolle. Und sie hat eine externe Ethikabwägung durchführen lassen - also Kreiters Antrag auf inhaltliche Stichhaltigkeit geprüft. BES

Dem stehen die ethischen Bedenken gegenüber, "einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerz, Leid und Schaden zuzufügen". Die Gesundheitsbehörde geht davon aus, dass sie diese Abwägung vornehmen muss und verweist dabei auf den "Wertewandel in der Bevölkerung" zum Thema Tierschutz.

Teil eines genehmigungsfähigen Antrages hätte es nach Auffassung der Behörde sein müssen, "dass der Forscher selbst die ethische Abwägung zwischen der Belastung der Makaken und der Bedeutung seines Forschungsvorhabens wissenschaftlich begründet" - was Kreiter nicht getan habe. Der habe nur auf die "Lebensbedingungen der Tiere in freier Wildbahn" verwiesen, was aus Sicht der Behörde rechtlich nicht zulässig sei. Drei Gutachter haben der Behörde bestätigt, dass entscheidend ist, "in welchem Ausmaß grundlegende Bedürfnisse der Tiere, die für deren Wohlergehen wichtig sind, eingeschränkt werden". Das geschehe durch den Flüssigkeitsentzug und die Fixierung auf dem Primatenstuhl.

Uni-Rektor Wilfried Müller erklärte sein "völliges Unverständnis" über den erneuten Ablehnungsbescheid und stellte sich gestern "uneingeschränkt hinter Andreas Kreiter". Die Universität sieht in der Ablehnung "einen unzulässigen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit". Der Rektor kündigte an, er werde bis zum Verfassungsgericht gehen.

Auf die Begründung des Senats geht die Universität nur indirekt ein - man kenne die Gutachten nicht, auf die der Senat sich beziehe, erklärte Müller. Er verweist auf die Tatsache, dass Kreiter Partner eines vom Wissenschaftsministerium geförderten Projektes sei, in dem es um Epilepsie-Therapie gehe.

"Um Therapie geht es in diesem Projekt in Wirklichkeit nicht", sagt der Behördensprecher, sondern um Grundlagenforschung. Pünktlich zu der neuen Runde des Streites teilt die Universität mit, dass die Bremer Gehirnforscher mit einem Aufsatz im Journal of Neuroscience über die Verarbeitung von Seh-Reizen vertreten sind.

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