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Hisbollah-EntwaffnungInnerstaatliche Lösung statt Druck von außen

Julia Neumann
Kommentar von Julia Neumann

Die Hisbollah-Entwaffnung ist zwar richtig. Doch statt Libanon die Pistole auf die Brust zu setzen, sollte Trump Israel die Unterstützung entziehen.

Isreal fliegt fast täglich Luftangriffe, wie hier auf Dahija, einen südlichen Vorort von Beirut Foto: Hassan Ammar/AP/dpa

D ie libanesische Regierung hat bei ihrer Kabinettssitzung die Entscheidung über die Entwaffnung der Hisbollah um zwei Tage aufgeschoben. Das Kabinett beschloss am Dienstag lediglich, die Armee solle am Ende des Monats einen Plan zur Umsetzung vorlegen. Die Entwaffnung der Hisbollah ist richtig. Doch die libanesische Regierung steht unter massivem Druck der USA und Israels – mit der Pistole an der Brust wird sie zu Entscheidungen gedrängt, die einen Bürgerkrieg riskieren. Die USA drohen mit dem Entzug finanzieller und diplomatischer Hilfe, Israel mit ausgeweiteten Angriffen.

Währenddessen fliegt Israel fast täglich Luftangriffe, verletzt das Waffenstillstandsabkommen und hat dabei bereits 291 Menschen getötet. Die libanesische Regierung kann unter diesen Bedingungen das staatliche Waffenmonopol kaum rechtfertigen – vor allem, da sich die schiitische Bevölkerung nicht geschützt fühlt. Menschen im Süden berichten von israelischen Drohnen, die sie verfolgen und vor ihren Häusern warten.

Es braucht eine innerlibanesische Lösung. Westliche Diplomaten äußerten, dass sie Vertrauen hätten zu Präsident Joseph Aoun, der als Ex-Armeechef gute Kontakte zur Hisbollah hat. 2017 vertrieb die Armee unter seiner Führung gemeinsam mit Kämpfern der Hisbollah militante Angehörige des „IS“ an der syrisch-libanesischen Grenze. Aouns Ziel ist die Integration der Hisbollah-Kämpfer in die Armee – per Dialog, nicht durch Druck. Das ist bisher erfolgreich: Seit dem Waffenstillstand hat die Hisbollah keine Rakete auf Israel abgefeuert. Aoun betont, die Hisbollah kooperiere im Süden.

Israels Armee bombardierte beim Einmarsch ganze Dörfer, plünderte Häuser und schoss auf zurückkehrende Zivilist*innen. Noch immer hält sie fünf Punkte im Südlibanon besetzt, erweitert ihre Präsenz mit Baggern, hisst die israelische Flagge.

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Zur Erinnerung: Die Hisbollah entstand 1982 als Antwort auf die israelische Besatzung des libanesischen Südens. Sie ist durch den jüngsten Krieg massiv geschwächt. Für viele Schiiten ist die Frage, wer den Süden verteidigt, existenziell – das libanesische Militär schützt sie nicht. Sie blicken auf die Bilder des Genozids in Gaza, auf Israels militärische Vorgehen im eigenen Land und fragen: Wer kann Israel stoppen?

Statt Israel zu stoppen, fordern die USA eine Normalisierung – trotz der Kriegsverbrechen in Gaza und im Libanon. Internationaler Druck muss Israel gelten: Entzug finanzieller und militärischer Unterstützung. Israel muss die Angriffe im Libanon beenden und sich aus dem Südlibanon zurückziehen. Das stärkt die Position der libanesischen Regierung, auf die Herausgabe der Waffen zu drängen.

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Julia Neumann
Korrespondentin Libanon
Auslandskorrespondentin für Westasien mit Sitz in Beirut. Hat 2013/14 bei der taz volontiert, Journalismus sowie Geschichte und Soziologie des Vorderen Orients studiert. Sie berichtet aus dem Libanon, Syrien, Iran und Irak, vor allem über Kultur und Gesellschaft, Gender und Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Für das taz Wasserprojekt recherchiert sie im Libanon, Jordanien und Ägypten zu Entwicklungsgeldern.
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