Hochschulrektoren-Präsident über Unis: „Die deutschen Hochschulen platzen“

Laut OECD bildet Deutschland zu wenig Akademiker aus. Trotzdem sieht Hochschulrektoren-Präsident Hippler das Bildungssystem auf einem guten Weg.

Viel Platz ist nicht: Ein übervoller Hörsaal an der Freien Universität Berlin. Bild: dapd

taz: Herr Hippler, gute Nachrichten für Sie als Präsident der Hochschulrektoren: Die Industrieländer-Organisation OECD fordert in ihrem neuen Bildungsbericht, dass Deutschland mehr junge Menschen zum Studium bringen soll.

Horst Hippler: Die Forderung ist alt. Und es passiert eine Menge. Jedes Jahr kommen mehr Studienanfänger. Aber wir haben eben ein sehr gutes Berufsbildungssystem, das man nicht unterschätzen sollte.

Studieren also zu wenige Menschen oder nicht?

Der 65-jährige Physikochemiker ist seit Mai 2012 Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Seit 2009 leitet er das Karlsruher Institut für Technologie.

Wenn es in Deutschland so schlecht um die Bildung bestellt wäre, würden wir wirtschaftlich nicht so gut dastehen. Das passt nicht zur Kritik.

Die Industrie- und Handelskammer Münster hat eine Kampagne gestartet mit dem Slogan: „Mach erst mal ’ne Lehre“. Ärgert es Sie, dass Ausbildungsbetriebe inzwischen so unverhohlen um Abiturienten werben?

Nein, gar nicht. Warum?

Ihnen machen sie damit begabte und potenzielle Studenten abspenstig.

Es gibt viele Wege zur Karriere. Warum sollte man nicht erst eine Ausbildung machen, um dann zu studieren? Solche Entscheidungen sollte man den Menschen selbst überlassen. Wir versuchen, die Durchlässigkeit zwischen Berufsbildung und Hochschule zu erhöhen. Inzwischen kann man zum Beispiel nach einer Meisterprüfung auch ohne Abitur studieren.

Gerade einmal zwei Prozent der Studienanfänger sind das.

Richtig, nur darf man nicht glauben, dass eine solche Öffnung gleich einen riesigen Ansturm auslöst. Das dauert ein bisschen. Wir sind aber auf einem sehr guten Weg.

Eine andere Studie dieser Woche zeigt: Vor allem von Abiturienten und Fachabiturienten aus bildungsfernen Familien entscheidet sich ein immer kleinerer Anteil für ein Studium. Ist es da nicht fatal, wenn die Unternehmen so lauthals um Abiturienten als Azubis werben, während die Hochschulen ständig über den Studierendenansturm stöhnen?

Im Moment wäre es nicht von Nachteil, wenn etwas weniger Studienanfänger kämen. Der Drang an die Hochschulen ist groß, wir haben im Moment eine heftige Überlast, die Hochschulen platzen aus allen Nähten. Ich kann mir schwer vorstellen, warum Hochschulen in einer solchen Situation sagen sollten: Kommt doch alle zu uns!

Um eher bildungsferne Abiturienten zu erreichen, müsste man aber stärker für das Studium werben.

Das ist richtig. Aber das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.

für das die Hochschulen keine Verantwortung tragen?

Die sind auch in der Verantwortung, aber nicht alleine. Wenn ein immer größerer Prozentsatz der Bevölkerung das Abitur macht, kann das Kompetenzniveau nicht dasselbe sein, wie noch vor 40 Jahren. Die jungen Leute müssen erst einmal so ausgebildet sein, dass sie studieren können. Sonst frustet sie das Studium nur. Hier sind erst einmal die Schulen am Zug.

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