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Höhere BeitragsbemessungsgrenzenSozialpolitik geht anders

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Gutverdienende müssen künftig höhere Sozialbeiträge bezahlen. Doch Verwaltungshandeln ersetzt keine Entscheidung über die künftige Sozialpoliitk.

Kanzler Merz und Arbeitsministerin Bas bei der Bundespressekonferenz Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

H urra! SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas will Gutverdienende stärker in die Pflicht nehmen und die Beitragsbemessungsgrenzen der Renten-, Pflege- und Krankenversicherung erhöhen. Hurra? Der Bund der Steuerzahler bekommt schon Schnappatmung, aber weder macht Bas auf Robin Hood, noch muss eine Mil­lio­när:in um ihr Geld fürchten. Es handelt sich vielmehr um eine Routineverordnung, die jährlich ansteht. Die Entscheidung darüber, wie der Sozialstaat gerecht und nachhaltig finanziert wird, steht aus.

Die Beitragsbemessungsgrenze regelt, bis zu welcher Höhe vom Einkommen Sozialabgaben berechnet werden. Sie liegt derzeit bei 8.050 Euro in der Renten- und 5.512,50 Euro in der Kranken- und Pflegeversicherung. Diese Grenzen werden, der Lohnentwicklung folgend, jedes Jahr nach oben verschoben, um Besserverdienende an der Finanzierung des Sozialstaats angemessen zu beteiligen. Doch das reicht nicht, um die Einnahmen zu stabilisieren.

Deutschland gibt etwa 30 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für So­zia­les aus und liegt damit auf ähnlichen Niveau wie andere reiche Ländern. Klar ist aber auch, dass die Ausgaben für Pflege, Gesundheit und Rente in den nächsten Jahren enorm steigen werden. Was daran liegt, dass die Gruppe der Ü60 viel stärker wächst als die der U40 und dass wir wegen des medizinischen Fortschritts länger leben.

Das ist schön, doch die finanzielle Last trägt vor allem die Mittelschicht. Mit ihren Sozialabgaben steuern Ar­beit­neh­me­r:in­nen und Ar­beit­ge­be­r:in­nen über 60 Prozent zum Gesamt­budget des Sozialstaats bei. Den Sozialversicherungskassen fehlen aber bereits jetzt mehrstellige Milliardenbeträge, Tendenz steigend.

Will man verhindern, dass Beiträge steigen oder Leistungen gekürzt werden, dann muss die Einnahmebasis breiter werden. Einkünfte aus Kapital und Immobilien müssen genauso zur Finanzierung herangezogen werden wie Einkünfte aus Arbeit. Den Sozialstaat können wir uns leisten – es ist keine Frage des Ob, sondern des Wie.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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