Hoffenheim-Kapitänin über die Ligaspitze: „Wir wollen da oben bleiben“

Vor dem Spitzenduell Hoffenheim gegen Meister Wolfsburg: Kapitänin Leonie Pankratz erklärt den Erfolg des Überraschungsteams der Liga.

Leonie Pankratz, im Hintergrund das Tor

Wachsame Spielführerin: Leonie Pankratz bei der Partie in Frankfurt Foto: imago/Hartenfelser

taz: Frau Pankratz, Hoffenheim ist das Überraschungsteam der Liga und tritt nach der Winterpause gleich zum Spitzenduell gegen den Meister VfL Wolfsburg an. Spüren sie vorab ein gesteigertes Interesse?

Leonie Pankratz: Das ist schon zu spüren. Vor allem jetzt in dieser Woche vor dem Spiel ist deutlich mehr Interesse da als in den Jahren zuvor.

Die TSG Hoffenheim hat vor dem nun siebten Bundesligajahr keine Verstärkungen von außen ins Team geholt. Warum hat ihr Team dennoch nach der Hinrunde schon mehr Punkte als in der gesamten vergangenen Saison?

Man darf nicht nur diese Saison betrachten. Seit zwei, drei Jahren verfolgen wir eine sehr akribische Arbeitsweise, die nun ihre Früchte trägt.

Hat der Klub vor zwei, drei Jahren neue Ziele formuliert?

Wichtig war, dass wir mit Gabor Gallai, der schon als Co-Trainer tätig war, und Athletiktrainer Alvaro Molinos zwei hauptamtliche Trainer bekamen, die den Spielerinnen jenseits des Mannschaftstrainings individuelles Training in den Bereichen Taktik, Technik und Athletik anbieten. Das nutzen sehr viele. Es sind viele kleine Faktoren, die da zusammenspielen.

Was noch zum Beispiel?

Wir haben einen ganz starken Fokus auf Athletik gelegt. Im Frauenfußball ist die Athletik mindestens so wichtig wie im Männerfußball, weil die Relationen ganz andere sind. Das Spielfeld ist für Frauenkörper noch einmal größer, ebenso der Ball, das Tor. Es ist wichtig, dass man auf einem hohen physischen Niveau ist.

Sie haben ihr Debüt vor zehn Jahren in Hoffenheim gegeben. Was sind die gravierendsten Veränderungen seither?

Definitiv die Anzahl der Trainingseinheiten. Zudem die Strukturen, welche die TSG Hoffenheim uns aus dem Männerbereich zur Verfügung stellt. Wir nutzen zum Beispiel den Footbonauten, ein Fußballroboter, mit dem die Handlungsschnelligkeit geschult wird, viel intensiver als noch in den Anfangszeiten.

30, Kapitänin der TSG 1899 Hoffenheim. Vor zehn Jahren debütierte sie bei der TSG und spielte auch in Portugal, Spanien und Island Fußball. Sie hat Übersetzungswissenschaft und Management studiert.

Es mehren sich die Forderungen, dass Männerprofiteams Frauenteams gründen sollen. Taugt das Hoffenheimer Modell als Vorbild?

Definitiv. Es muss aber aus meiner Sicht eine intrinsische Motivation da sein. Ich halte nichts davon, von oben etwas vorzugeben. Das ist langfristig nicht erfolgreich.

Aber das Modell in England, wo sehr viel von oben vorgegeben wurde, gilt doch als Erfolgsmodell?

Ich glaube, dass sowohl in England als auch in Spanien die Fankultur eine andere ist. Fans gehen zu den Spielen wegen des Vereins. In Deutschland haben wir noch nicht so die Fankultur, dass ein Anhänger von Borussia Dortmund auch ein mögliches Frauenteam unterstützen würde. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, ein europäisches Modell zu verfolgen. Jedes Land weist unterschiedliche Mentalitäten auf.

Mir ist aufgefallen, als Tabellenzweiter steht Hoffenheim in der Zuschauerrangliste eher hinten. Mit 613 Zuschauern im Schnitt liegt man momentan gar hinter den Zahlen der vergangenen Spielzeit. Warum ist in Deutschland selbst mit guten Leistungen derzeit nicht mehr Publikum anzuziehen?

Ich habe 2018 im Rahmen der Abschlussarbeit meines Managementstudiums selbst eine Studie zur Zuschauerfrage in Hoffenheim durchgeführt. Bei unserem Aufstieg 2013 hatten wir den höchsten Zuschauerschnitt. Ich glaube, das Interesse am Neuen, der Frauen-Bundesliga war ausschlaggebend.

Warum nahm das Interesse denn ab?

Viele sind einmal bei einem Spiel, die wenigsten aber kommen regelmäßig. Da muss man ansetzten, dass man das Ganze so attraktiv gestaltet, dass die Zuschauer auch ein zweites, drittes, viertes Mal kommen. Da sind auch wir gefragt mit attraktivem Fußball, den wir diese Saison ja durchaus bieten. Dann ist da auch die Marketingabteilung gefragt.

Gibt es denn im Verein Bestrebungen, die Erkenntnisse Ihrer Studie zu nutzen, um neue Impulse zu setzen?

Ich hoffe es. Ich habe da auch nicht so viele Einblicke, bin primär als Spielerin hier tätig.

Kritiker der stagnierenden Entwicklung der Frauen-Bundesliga bemängeln unter anderem das fehlende Engagement der Spielerinnen. Meinungsstarke Statements sind eher die Seltenheit.

Es ist wichtig, dass wir uns positionieren, dass starke Frauen, die Fußball spielen, ihre Meinung sagen und eben nicht das sagen, was gern gehört wird. So kommt man langfristig nicht weiter. Ich verstehe die Kritik.

Das Kontrollbedürfnis der Medienabteilungen der Vereine ist natürlich groß.

Ich habe nicht das Gefühl, vom Verein eingeschränkt zu werden. Ich kann mir aber vorstellen, dass das bei Vereinen mit vielen Nationalspielerinnen noch einmal anders zugeht.

„Hoffenheim die neue dritte Kraft im Frauenfußball“ lautete kürzlich eine Schlagzeile. Ist das Team schon so weit?

Es ist wichtig, zu zeigen, dass wir auch langfristig oben mitspielen können. Man hat allerdings bei Freiburg gesehen, dass sie nach einer sehr guten Saison nun abgefallen sind. Es wird nicht einfach, aber wir wollen langfristig da oben bleiben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.