Holger Strohm klagt gegen kritischen Film: Unfriedlich nach rechts

Ökopionier Holger Strohm geht gerichtlich gegen einen kritischen Youtube-Film vor, der ihn ihn als rechten Verschwörungtheoretiker zeigt.

Klagt gegen Kritiker: Holger Strohm, Autor von „Friedlich in die Katastrophe“. Foto: Udo Grimberg/Wikimedia/CC-BY-SA 3.0

HAMBURG taz | Gegen Zensur hat er sich immer gewehrt. „Wer die Meinungsfreiheit stranguliert, die Menschenrechte mit Füßen tritt, erdrosselt die Menschlichkeit und unterdrückt die Wahrheit“, zitiert er gerne den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo.

Am Donnerstag ging der Ökopionier Holger Strohm jedoch selbst vor dem Hamburger Landgericht gegen einen Kurzfilm auf Youtube vor, in dem der Filmemacher Jörg Bergstedt nachzeichnet, wie der Autor des Anti-Atom-Klassikers „Friedlich in die Katastrophe“ aus Empörung und Verzweiflung wegen des menschlichen Handelns gegen Natur und Umwelt eine „Neigung zu rechtsoffenen bis rechten, vereinfachten Welterklärungen“ entwickelt habe.

In dem strittigen, knapp 20-minütigen Film setzt sich Bergstedt mit Strohms Verfilmung von „Friedlich in die Katastrophe“ sehr kritisch auseinander. Anhand von Auszügen aus dem Film hält er Strohm vor, Verschwörungstheorien und rechte Argumentationen zu verbreiten. Genau da setzt die Klage an: Strohm, der gerne betont, er habe drei Berufsverbote wegen Linkslastigkeit bekommen, sieht durch die langen, aus seinem Film übernommenen Passagen das Urheberrecht verletzt.

Im Gerichtssaal lächelt Strohm, im blauen Anzug mit dunkler Krawatte, Bergstedt an. Als der jedoch sagt, dass er mit seinem Film Strohms Weg nach weit rechts dokumentieren wollte und darum auch vor Gericht streiten wolle, reagiert Strohm empört. Mit tiefer Stimme kontert der gebürtige Lübecker, dieser „Nazi-Vorwurf“ sei eine Beleidigung. Bis heute versteht er sich als Anarchist.

Im Saal ist spürbar: Strohm würde sich hier gerne selbst viel stärker einbringen, obwohl in der Güteverhandlung gar nicht der Inhalt verhandelt werden soll. Er ist Reden und Streiten gewohnt, er war und ist ein Umtriebiger. In Berlin studierte er Fertigungstechnik, in Toronto Business Administration, in Göteborg und Hamburg Erziehungswissenschaften. Als Berufsschullehrer, Organisations- und Industrieberater war er tätig.

1971 schrieb er seinen Bestseller. 80 Verlage sollen das Buch abgelehnt haben, ehe es 1973 erschien. Mit „Friedlich in die Katastrophe“ gab er der Anti-Atom-Bewegung ein seriöses Fundament. 1978 verfehlte er als Spitzenkandidat der Bunten Liste Hamburg den Einzug in die Bürgerschaft. „In seiner Synthese von Umwelt- und Friedensbewegung liefert er zudem die Raison d‘être der Grünen“, stand unlängst in der taz.

Die taz war es auch, die Ende 2012 auf ein Interview von Strohm im rechtsextremen Ökomagazin Umwelt & Aktiv (U&A) hinwies. Dort sagte Strohm: „Ich habe mich immer dagegen gewehrt, dass man sagt: ,Mit den Schmuddelkindern, mit den Kommunisten, den Nazis darfst du nicht spielen!‘“ Er schimpfte, schon bei der Bunten Liste hätten sich viele Kommunisten nur wegen der „politischen Karriere“ um „Umweltschutz“ gekümmert. Die heutige Grünen-Spitze wolle ebenfalls nur „Karriere machen“ und sei „unglaubwürdig“. Bei U&A heißt das kurz: „Umweltschutz ist nicht grün.“ Strohm betonte auch: „In jeder Gruppierung gibt es gute und böse Menschen. Für mich ist die politische Überzeugung kein Maßstab.“ Es gebe „selbst unter Nazis gute Menschen“. Für ihn sei vielmehr „ein Maßstab, ob man gegen Atomenergie ist, ob man für die Menschheit ist“.

In U&A hat er seitdem öfter geschrieben. Auf Youtube finden sich Interviews mit Strohm, in denen er darlegt, dass die Grünen jetzt eine Partei für sexuelle Minderheiten und Migranten seien; dass „Rassen“ geschaffen werden sollten, deren Intelligenzquotient bei 90 liegt, denn diese seien leichter zu kontrollieren; dass Bundeskanzlerin Angela Merkel jüdisch sei und muslimische Migranten in Schweden Schulverweigerer seien.

Das Gericht versuchte, Kläger und Beklagten zu einer Vereinbarung zu bewegen. Sie seien doch gemeinsam gegen Atomenergie und sollten sich wegen des „großen gemeinsamen Ziels“ nicht zerstreiten, so der Appell. Ohne Erfolg: Am 25. Februar muss das Gericht eine Entscheidung verkünden. Strohm hofft auf Schadenersatz. Bergstedt hat inzwischen schon einen längeren Film über Strohm ins Netz gestellt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.