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Hurrikan Melissa überrollt KubaEs trifft die ärmsten Provinzen

Auch Teile Kubas wurden von Hurrikan Melissa verwüstet. Doch deutlich besser als wenn es die ganze Insel getroffen hätte, so kubanische Analysten.

Nach dem Hurrikan Melissa: überflutete Straße in Santiago de Cuba am Donnerstag Foto: Ramon Espinosa/ap

Santiago und Holguín sind die beiden Provinzen, die es am schlimmsten getroffen habe, so Omar Everleny Pérez. „Für die Bevölkerung ist das verheerend, denn die beiden Provinzen haben wie der gesamte Oriente Cubas schon seit Monaten unter besonders prekären Bedingungen zu leiden“, so der 64-jährige Sozialwissenschaftler aus Havanna.

Am Mittwoch war der Hurrikan Melissa auf Kuba gestoßen, nachdem er bereits in Jamaika große Schäden angerichtet hatte. Vor der Küste Jamaikas hatte er Windgeschwindigkeiten von knapp 300 Kilometern pro Stunde erreicht und war damit einer der mächtigsten jemals gemessenen Hurrikans.

„Im gesamten Oriente mit den Provinzen Holguín, Granma, Santiago de Cuba sowie Guatánamo und Las Tunas waren Stromabschaltungen von bis zu 20 Stunden in den letzten Monaten quasi normal. Jetzt wird es mindestens eine Woche gar kleinen Strom geben“, prognostiziert Pérez.

Positiv sei allerdings die Tatsache, dass das Zentrum und der Westen der Insel nicht betroffen sei. Von dort müsse nun die Nothilfe kommen, Hilfsbrigaden, die die Stromleitungen reparieren, abgedeckte Dächer reparieren und Erosionsschäden beseitigen. Doch vor allem gelte es Lebensmittel sowie Gas, Kerosin und Holzkohle zum Kochen zu liefern, so Everleny Pérez. Unklar ist, ob die Regierung über die nötigen Reserven in ihren Depots verfügt.

In Santiago ist das Wasser das Problem, nicht der Wind

Gas ist inselweit in den letzten Monaten knapp gewesen und deshalb ist Juan Elias Navarro froh, dass er für die nächsten Tage über ausreichend Holz zum Kochen verfügt. Der 62-jährige Kubaner lebt mit seiner Familie im Zentrum von Santiago de Cuba und hat Glück gehabt: „Die Schäden an meinem Haus sind gering, nur der Hof und der Garten sind verwüstet, aber das bekommen wir schnell wieder hin“, ist er optimistisch.

Sein Dach hat gehalten, auch wenn hier und da Wasser durch die Betondecke gerieselt ist. „Unser Zement ist nicht der Beste, aber hier in Santiago sind die Wassermassen das zentrale Problem. Die sorgen dafür, dass in der Stadt, die auf unzähligen Hügeln mit starkem Gefälle gebaut wurde, das Wasser mit enormer Geschwindigkeit durch Kanäle und die Kanalisation schießt – da geht vieles kaputt“. Erosion, überflutete Keller sind ein Problem, in der Stadt, aber auch außerhalb.

Lebensmittel sind in der mit rund 540.000 Einwohner zweitgrößten Stadt der Insel nun überaus knapp. „Es wurden nur Avocados und Bananen angeboten, Fleisch, Gemüse, Reis waren nicht zu bekommen“ so der Kleinunternehmer. Er betreibt einen kleinen Nachbarschaftsladen, bietet Zigaretten, Zigarren, Rasierklingen und andere Dinge an und malt nebenbei kleine afrokubanische Ölgemälde für Touristen und Kubaner:innen, die die Insel verlassen haben.

Gärten und Plantagen sind in der Region verwüstet

Lebensmittel müssen nun aus anderen Provinzen geliefert werden, so Everleny Pérez, denn regional hat der Hurrikan Melissa Bananen-, Kakao- und Kaffeeplantagen genauso wie die Gärten von Kleinbauern und Dorfbewohnern verwüstet. „Für die nächsten zwei, drei Monate ist da keine Produktion zu erwarten“, meint Everleny Pérez.

Mindestens 700.000 Menschen sind laut Schätzungen des UN-Ernährungsprogramms (WFP) in den nächsten drei bis sechs Monaten auf Lebensmittelhilfe angewiesen. Das ist in etwa die gleiche Zahl von Menschen, die durch den kubanischen Katastrophenschutz evakuiert wurde. Die hohe Evakuierungsquote ist laut Experten auch ein Grund, weshalb es in Kuba bisher anders als in den Nachbarländern keine Toten durch den verheerenden Hurrikan „Melissa“ gab.

Doch die Hurrikan-Saison geht noch bis Mitte Dezember weiter. „Wir müssen mit weiteren Wirbelstürmen rechnen. Die hohen Wassertemperaturen, die wir in der Karibik haben, heizen die Bildung von Wirbelstürmen an“, warnt Everleny Pérez.

Das bestätigen auch Studien des britischen Imperial College in London. Demnach habe der menschengemachte Klimawandel Hurrikan Melissa eindeutig stärker und zerstörerischer gemacht, so Institutsdirektor Ralf Toumi auf einer Pressekonferenz vor wenigen Tagen.

Das Forschungsteam modellierte anhand von Klimadaten, dass ein Hurrikan wie „Melissa“ ohne Erderwärmung nur etwa alle 8.000 Jahre auf Jamaika und Kuba getroffen wäre. Heute, mit einer um etwa 1,3 Grad erwärmten Erde, sei ein solches Ereignis hingegen alle 1.700 Jahre zu erwarten. Für die Karibikbewohner sind das alarmierende Studien.

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