Hype um Apples Mini-Programme: Wir haben appgetrieben!

Der Hype um die Kleinprogramme auf Apples iPhones und iPads hält an. Zehn Milliarden Apps wurden aus dem App Store runtergeladen. Genug! Aus! Schluss damit!

Ja, das fehlte noch: iBeer, eine der meistverkauften Apps der letzten Jahre. Bild: dpa

Diesmal sind es nur 7 Aktualisierungen. Sonst sind es immer 13 bis 15. Mein iPhone möchte, dass ich folgende Apps auf den neuesten Stand bringe: "LEDit Free", "Labyrinth 2 Lite", "Sniper Strike", "Foursquare", "TV Spielfim", "ADAC Maps für Mitglieder" und "Twitter". Einmal im Monat komme ich der Aufforderung nach, anschließend wird meine Datengeschwindigkeit vertragsgemäß reduziert, weil ich einen Großteil des Datenvolumens verbraucht habe.

Es reicht! Ich werde nur die "Twitter-" und die "ADAC"-App aktualisieren und alle anderen Apps löschen. Dazu weitere, die seit vielen Monaten auf dem Gerät gespeichert sind, aber so gut wie nie angetippt werden: "Strike Knight", "Spray Can", "MyRazor Lite". Auch "Vuvuzela" kann weg. Ich werde apptreiben, im großen Stil. Und: Ich bin mit dieser Entscheidung nicht alleine.

Da ist der Kollege, der erzählt, dass er sein iPad nur noch als E-Book verwendet. Eine Freundin sagt, sie habe schon länger all die unnötigen Apps entfernt und freue sich seither, dass der iPhone-Akku nun seltener aufgeladen werden muss. Ein Bekannter ist begeistert, dass sein iPod Touch sich allein auf Musik konzentrieren kann. Eine Webmasterin – von jeher von der Arbeit mit Macs angetan – betont, dies werde so bleiben, da sie nicht gedenke den App Store für Macs auch nur anzuschauen.

Können jene, die zehn Milliarden Apps runtergeladen haben, irren? Nein. Jeder findet das, von dem er oder sie glaubt, dass es ihm oder ihr nutze. Nicht wenige Apps sind nützlich: "Skype", "Shazam", "Taschenlampe", "Wasserwaage", "Blitzer.de", "RegenRadar", "DB Navigator", "Polaroid Camera App", "Junaio". "Junaio"? Ja, wenn die Augmented-Reality-App denn auch funktionierte, wenn man sie mal braucht. Weitere Apps sind unterhaltsam: "Facebook", "Tweetdeck", "90elf", diverse Spiele usw.

Nochmal: Können jene, die zehn Milliarden Apps runtergeladen haben, irren? Ja. Auf eine gute App kommen vier Gelumpe-Apps. Ganze Abende mit Bekannten, die man lang nicht mehr gesehen hat, gehen für den App-Abgleich drauf. Am Ende fügt man ein, zwei Programme dem eigenen Gerät hinzu und ärgert sich, dass man von den iPhones und iPads der Bekannten viel, von ihnen selbst jedoch kaum etwas erfahren hat. Zwei dieser Leute will man gar nicht wiedersehen, da es sich bei ihnen um ausgemachte App-Angeber handelt.

Und nochmal: Können jene, die zehn Milliarden Apps runtergeladen haben, irren? Können die knapp sieben Millionen Follower Justin Biebers auf Twitter irren? Was ist mit den Millionen, die beim Kauf eines neuen Rechners immer noch ein Software-Paket von Microsoft mitbezahlen? Was sind das für Gestalten, die Geld für eine App der Bild-Zeitung ausgeben? Solche Fragen führen zu nichts außer dem unguten Gefühl, besser zu sein als andere.

Andere Fragen sind: Sagen "die beliebtesten Apps Deutschlands" tatsächlich etwas über das Nutzerverhalten aus? Demnach wird hierzulande auf iPads viel gespielt, Radio gehört, navigiert, gekocht und die Zeit von Atomuhren abgelesen. Auf iPhones dominieren hingegen Spiele, Kostenkontrolle, Apps darüber, welche Apps noch brauchbar sein könnten. Für die Analyse allgemeiner App-Erfolgsstatistiken dürfte wahlweise ein Studium der Soziologie oder ein Esoterik-Kurs hilfreich sein.

Die App "Worktimes" hilft Selbständigen und Angestellten bei der Einhaltung der Regelarbeitszeiten – nützlich. Wer unterwegs etwas für seine "geistig-emotional-spirituelle Gesundheit" tun will, lädt sich eine von vier Apps von Deepak Chopra aufs iPhone – nicht nützlich. Oder ist es genau umgekehrt?

Mit den kleinen Programmen verhält es sich wie mit dem Rest der Online-Welt. Hier surfen wir Altbewährtes ab, entdecken neue Seiten, aus dem Echtzeit-Log-in in ein neues Netzwerk wird morgen schon die nächste digitale Accountleiche. Erinnert sich noch wer an Buzz oder Formspring.me? Chat-Fenster poppen auf während man noch in die Lektüre von Melvilles "Bartleby the Scrivener" – im Original oder in deutscher Übersetzung, auf jeden Fall in voller Länge und für lau – vertieft ist. Hübsche Vielfalt, bisschen blöde auch, alles so disparat.

Das Problem mit den Apps ist: Nicht wenige kosten Geld. Und: Je mehr Apps wir laden, desto weniger nutzen wir sie. Wenn uns die Erfolgsgeschichte der App eines lehrt, dann dies: Weniger kann mehr sein.

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