IPv6-Test: "Netz ist nicht zusammengebrochen"

Am Mittwoch war IPv6-Testtag. Das neue Protokoll, auf dem die Kommunikation im Internet beruht, wird bejubelt. Auch dem Nutzer könnte es Vorteile bringen.

Muss sich umstellen: Netzwerkkabel. Bild: ap

"Der Testflug war ein Erfolg", jubelt Google-Techniker und selnsternannter "IPv6 Samurai" im Unternehmens-Blog. Facebook spitzt es sogar noch weiter zu. "Donn ist froh, dass das Internet heute nicht zusammengebrochen ist", lässt Manager Donn Lee mitteilen. 24 Stunden haben 400 Unternehmen weltweit am Test der IPv6-Technik teilgenommen, auf der zukünftig jede Internet-Kommunikation basieren wird.

Die Umstellung sollte eine Formalität sein. Dass die IP-Adressen nach altem Standard ausgehen ist seit langem bekannt. Die neue IPv6-Technik wurde schon vor 15 Jahren vorgestellt. Doch wie beim Jahr-2000-Problem wartete die Industrie buchstäblich bis zur letzten Gelegenheit, die Technik einzusetzen.

Bereits im Februar hat die zentrale IP-Vergabestelle Internet Assigned Numbers Authority (IANA) die letzten IP-Adressen nach alter Technik zur Zuteilung freigegeben. Und erst vier Monate später konnten sich die Großkonzerne des Webs, die sich seit jeher Innovation auf die Fahnen geschrieben haben, zu einem ersten Praxistest der Technik durchringen.

Praxistest mit winziger Beteiligung

Dabei nahm nur ein winziger Teil des Internets am Test teil: Facebook meldet mehr als eine Million Nutzer, die über das neue Protokoll mit der Plattform Kontakt aufnahmen. Angesichts von 600 Millionen aktiven Nutzern ist das ein äußerst geringer Anteil. Am Ende des Testtages schalteten die meisten Unternehmen wieder auf die alte Technik um. Deutsche Nutzer kamen kaum in Versuchung die neuen Verbindung auszuprobieren. Keiner der großen Provider bietet bisher IPv6 für seine Privat-Kunden an. Die Deutsche Telekom und andere Konkurrenten versprechen zwar die Einführung noch in diesem Jahr, aber über genauere Pläne schweigen sie sich aus.

Das Problem der Provider: Sie müssen nicht nur ihre eigenen Netze auf das neue Protokoll umstellen, auch die Technik in den Wohnungen ihrer Kunden muss für IPv6 gerüstet werden. Zwar kann Windows schon lange mit der neuen Technik umgehen, schwieriger wird es jedoch bei den WLAN-Routern und DSL-Modems, die in den Wohnungen der Kunden stehen. Selbst wenn die Geräte per Softwareupdate auf den neusten Stand gebracht werden können - dem Kunden die notwendigen Schritte zu erklären, wird nicht leicht werden. Michael Rotert, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft eco, rechnet damit, dass die Umstellung mindestens zehn Jahre dauern wird.

Chance für den Datenschutz?

Das Protokoll bringt dem Nutzer bisher keine spürbaren Vorteile. Die Verbindung wird nicht schneller, nicht sicherer und erst recht nicht billiger. Datenschützer kritisieren, dass durch die Vielzahl der neuen IP-Adressen der heute übliche Adresswechsel wegfallen kann und Internet-Nutzer //www.taz.de/1/netz/netzoekonomie/artikel/1/die-nummer-fuers-leben/%E2%80%9C:langfristig rückverfolgbar sind. Zwar hat das Protokoll einen Zufallsgenerator eingebaut, der die Identifizierung eines Computers verhindern soll. Doch letztlich entscheiden die Provider, wie sie mit der neuen Technik umgehen.

Für Lutz Donnerhacke, Netzadministrator der IKS GmbH in Jena hat das neue Protokoll revolutionären Charakter. "Mit IPv6 ist der Endkunde wieder ein mündiger Teilnehmer im Internet", erklärt er gegenüber taz.de. Da die alten IP-Adressen ständig wechselten, war der Internet-Nutzer in der Vergangenheit auf die Dienstleistungen von Konzernen angewiesen, die seine E-Mails aufbewahrten, Chat-Kontakte herstellten und sogar seine Urlaubsfotos speicherten.

Mit IPv6 könnte das der Vergangenheit angehören, wie Donnerhacke glaubt: "Der Nutzer ist wieder in der Lage selbst Anbieter von Diensten zu sein." So könnte man seine Profildaten statt auf Facebook auf dem eigenen Rechner speichern. Will man ein Profilbild entfernen, löscht man es schlicht auf der Festplatte, statt sich stundenlang mit den Privatsphäre-Einstellungen von Facebook herumzuplagen.

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