IS-Belagerung im Nordirak : In Amerli droht ein weiteres Massaker

Seit Wochen sind Tausende Menschen in einer irakischen Kleinstadt von der Terrormiliz IS eingekesselt. Nun schlagen die Vereinten Nationen Alarm.

Geflüchtete Familien erhalten nahe Erbil humanitäre Hilfe. In Amerli sind Wasser und Nahrung knapp. Bild: dpa

BAGDAD dpa/taz | In der nordirakischen Kleinstadt Amerli droht nach Einschätzung der Vereinten Nationen (UN) ein Massaker der sunnitischen Miliz Islamischer Staat (IS) an der überwiegend schiitischen Bevölkerung. Der UN-Sondergesandte für den Irak, Nikolai Mladenow, sagte am Samstag, die Dschihadisten belagerten die Stadt seit fast zwei Monaten und die Lieferwege für Wasser und Lebensmittel seien versperrt. Die Lage der Menschen erfordere ein sofortiges Eingreifen, „um ein Massaker an den Einwohnern zu verhindern“.

Die Stadt liegt rund 170 Kilometer nördlich Bagdads. Mladenow appellierte an die irakische Regierung, die Belagerung aufzubrechen und die Versorgung der „unsagbar leidenden“ Menschen zu ermöglichen.

Die Dschihadisten kontrollieren große Teile im Norden und Westen des Landes. Die USA flogen am Samstag einen weiteren Angriff gegen IS-Kräfte nahe dem Mossul-Damm im Nordirak. Es war der 94. Luftschlag seit dem 8. August, wie das US-Zentralkommando mitteilte.

Das Land wird derzeit von einer Welle der Gewalt erfasst. Bei drei Bombenanschlägen in der von Kurden kontrollierten Stadt Kirkuk im Nordirak kamen am Samstag mindestens 23 Menschen ums Leben, 127 weitere wurden verletzt, wie die Nachrichtenseite Al-Sumaria News berichtete. Demnach explodierten im Zentrum zwei Autobomben, im Norden Kirkuks zündete ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoffgürtel. Unter den Toten waren demnach auch Kämpfer der kurdischen Peschmerga-Einheiten.

Eine Autobombe explodierte auch im Zentrum Erbils, der eigentlich sicheren Hauptstadt der kurdischen Autonomiegebiete. Der kurdische TV-Sender Rudaw berichtete von vier Verletzten. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) wollte die Stadt am Sonntag besuchen.

Ringen um die Einheit des Landes

In Bagdad attackierte ein Selbstmordattentäter die Zentrale des Geheimdienstes. Bei der Explosion einer Autobombe riss er drei Menschen mit in den Tod. Neun Menschen wurden laut Medienberichten verletzt.

Nach dem verheerenden Angriff am Freitag auf eine sunnitische Moschee mit Dutzenden Toten – vermutlich verübt von schiitischen Kämpfern – ringen die führenden irakischen Politiker um die Einheit des Landes. Präsident Fuad Massum, ein Kurde, rief alle Seiten zu äußerster Zurückhaltung auf, um weiteren Aufruhr zu vermeiden. Zuvor hatte bereits der designierte schiitische Regierungschef Haidar al-Abadi die Attacke verurteilt.

Ein Untersuchungsausschuss soll die Hintergründe der blutigen Moschee-Attacke ermitteln. Innerhalb von 48 Stunden sollten erste Ergebnisse vorliegen, sagte Parlamentspräsident Salim al-Dschaburi. Das Gremium bestehe aus Parlamentsabgeordneten und Vertretern des Sicherheitsapparats, zitierte die Nachrichtenseite Al-Sumaria News den sunnitischen Politiker.

Eine zügige Aufklärung der Attacke ist deshalb wichtig, weil die Tat die Regierungsbildung erschwert. Zwei sunnitische Blöcke hatten am Freitag ihre Teilnahme an den Verhandlungen über das neue Kabinett aus Protest gegen das Attentat ausgesetzt. Eine neue Regierung gilt als Voraussetzung, um den IS-Vormarsch stoppen zu können.

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