Ideen für den Schulneubau: Auf Pump gebaut

Noch hat die Stadt nicht gewählt, da finden sich bereits die Koalitionspartner zusammen. Etwa beim Thema Schulbau: Linke und SPD sind sich einig, Grüne warten noch.

Dringend renovierungsbedürftig. Grundschule in Berlin. Foto: dpa

Seit Wochen prophezeien die Umfragen zur Abgeordnetenhauswahl am 18. September eine Dreierkonstellation: Rot-grün-rot, sagen Meinungsforscher, wird diese Stadt die kommenden fünf Jahre regieren. Und auch die Parteipolitiker halten diese Möglichkeit offenbar für beinahe schon ausgemacht. So laufen denn auch bei wesentlichen Themen, die die nächste Legislaturperiode bestimmen werden, die Annäherungs- (und Abgrenzungs-)versuche auf Hochtouren: Die Koalitionsverhandlungen haben begonnen.

Zum Beispiel beim Schulbau. Den Auftakt machten im Januar die Grünen. Sie stellten ein Konzeptpapier vor, bei dem drei regionale Schulbaugesellschaften Berlins knapp 4.650 Schulgebäude bewirtschaften. Dafür bezahlen sie den Bezirken, die Eigentümer der Schulgebäude bleiben, eine Miete. Der Vorteil, den die Grünen darin sehen: Man käme endlich weg von dem undurchsichtigen und bürokratisch aufwendigen Klein-Klein aus vielen verschiedenen Bezirks- und Senatsprogrammen im Haushalt.

Mehr SchülerInnen: Rund 428.550 SchülerInnen hat Berlin im kommenden Schuljahr – das sind 6.200 mehr als noch im vergangenen Jahr. Seit 2013 steigen die Schülerzahlen in Berlin wieder: Die Gründe sind Zuzüge, eine steigende Geburtenrate und die Flüchtlinge.

Mehr Schulen: Insbesondere der Bedarf an Grundschulplätzen ist groß: In den nächsten fünf Jahren sollen 12.240 zusätzliche Plätze geschaffen werden. An Sekundarschulen ist ein Ausbau um 5.500 Plätze vorgesehen. An den Gymnasien gibt es derzeit noch einen Puffer von 4.600 Plätzen – mit Blick auf die wachsenden Schülerzahlen wolle man aber keine Standorte schließen, sagte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD).

Mehr LehrerInnen: 2.900 LehrerInnen wurden in diesem Jahr neu eingestellt. Ein Drittel der Neueinstellungen sind QuereinsteigerInnen, die kein reguläres Lehramtsstudium absolviert haben: auch ein neuer Rekord.

Für 32.140 ErstklässlerInnen beginnt die Schule erst eine Woche später. Am Samstag finden die Einschulungsfeiern statt. (akl)

Die CDU konnte sich so etwas Ähnliches auch mal kurzzeitig vorstellen. Zeitgleich mit den Grünen dachte deren Fraktionschef Florian Graf sogar laut darüber nach, einen Landesbetrieb Schulbau zu gründen, und die Bezirke komplett aus der Verantwortung zu nehmen. Doch als sich im Frühjahr der Stimmungstrend in Richtung Mitte-links Regierung verfestigte, versuchte die CDU beim Thema Schulbau lieber in der Rolle der (künftigen) Opposition zu punkten: alle Macht den Bezirken, und alles bleibt, wie es ist.

So war es dann ausgerechnet die Linke, die Anfang Juli die Idee von einem Landesbetrieb Schulbau wieder zur Diskussion stellte – und sogar noch eins draufsetzte. Denn auch die Linke will weg von der Flickschusterei vieler kleiner Finanzierungstöpfe für die Schulen. Tatsächlich will sie den Schulbau überhaupt nicht mehr über Haushaltsmittel finanzieren. Sondern unter Umgehung der Schuldenbremse über zinsgünstige Investitionskredite.

Und die SPD? Stellte nur drei Tage nach den Linken ein beinahe identisches Konzept vor. Das Thema Schulbau dürfte SPD und Linke in möglichen Koalitionsgesprächen nicht aufhalten.

Dennoch – gut möglich, dass Berlin in den nächsten Jahren seine Schulen auf Pump baut und saniert. Denn die Notwendigkeiten, sagen die Linken, seien ja glasklar. Auf fünf Milliarden Euro haben Senat und Bezirke vor den Sommerferien den Sanierungsbedarf in den nächsten zehn Jahren beziffert. Hinzu kommen nochmal 2,7 Milliarden Euro für Neu- und Ausbau. „Da sehe ich nicht, wie das über den Haushalt finanziert werden soll“, sagt die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Regina Kittler. „Es sei denn, man streicht sämtliche Investitionen in Infrastruktur wie Straßen, Brücken, Krankenhäuser – aber die braucht eine wachsende Stadt ja auch.“

Schulbau auf Kredit

Berlin könne aber sehr wohl die Zinsen eines Kreditmodells bedienen, rechnet der ehemalige linke Wirtschaftssenator Harald Wolf vor. Und käme dabei sogar noch billiger davon: 173 Millionen Euro wurden 2015 insgesamt im Haushalt für die Schulsanierung veranschlagt. Die Linke will künftig für 150 Millionen Euro die jüngst ermittelten Sanierungsbedarfe abarbeiten – und neu bauen noch dazu. Vorausgesetzt natürlich, die Zinsen für kommunale Investitionskredite bleiben so günstig, wie sie sind. „Aber diese Geldquelle jetzt nicht zu nutzen, das wäre sträflich“, findet Wolf. Der Linken schwebt ein sogenanntes Annuitätendarlehen vor: feste Rückzahlungsraten, Zinsbindung, ein langer Tilgungszeitraum von 20 Jahren. Die Risiken wären wohl überschaubar.

Haushaltspolitischer Unfug, kontern da die Grünen – zumindest was die Idee angehe, den Sanierungsbedarf der Schulen durch Kredite zu finanzieren. „Um die Schuldenbremse zu umgehen, müsste das Land Berlin dann auch das Eigentum an den Schulen auf die Gesellschaften übertragen“, sagt Jochen Esser, finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Doch die Wohnungsbaugesellschaften, die nach der Linken-Idee die notwendigen Kredite für die Sanierung beschaffen sollen, hätten primär nun mal anderes zu tun, findet Esser – nämlich, Wohnungen zu bauen.

Für durchaus „denkbar“ hält der Grünen-Abgeordnete hingegen den Schulneubau a la Linkspartei. „Da könnten die Wohnungsbaugesellschaften eine Tochtergesellschaft Schulbau gründen, die Neubauten könnte das Land per Mietkauf leasen.“

Nun könnte man allerdings auch ganz einfach sagen: Es ist schlicht eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Schulen zu bauen. Also müssen die Mittel aus dem Haushalt kommen: aus Prinzip. Auch die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Stefanie Remlinger, wiederholte noch bis vor kurzem gebetsmühlenartig: das Geld muss aus dem Haushalt kommen, und zwar aus Prinzip. Inzwischen sagt auch sie: Beim Neubau könne man über das Linken-Modell reden. Nur noch zwei Wochen bis zur Wahl.

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