Illegale Adoptionen in Guatemala: Geraubt, verkauft, "adoptiert"

Zum ersten Mal fordert ein Gericht die Rückgabe eines aus Guatemala in die USA verkauften Mädchens. Solche illegalen Adoptionen sind ein Millionengeschäft.

Eine von vielen: Auch Olga Lopez sucht ihr Kind. Bild: reuters

BERLIN taz | Es gibt tausende von Fällen wie den der Anyelí Liseth Hernández Rodriguez. Das guatemaltekische Mädchen wurde im November 2006 von einer Kinderschiebermafia geraubt und ein Jahr später zur "Adoption" in die USA gegeben. Ein Paar, das keine Fragen stellte und bereit war, für diese "Adoption" rund 30.000 US-Dollar zu bezahlen, hat Anyelí mitgenommen. In der Regel verschwinden solche Kinder für immer.

Im Fall von Anyelí aber ist es zum ersten Mal gelungen, sie ausfindig zu machen. Timothy und Jennifer Monahan haben sie unter dem Namen Karen Abigail Hernández gekauft. Ein Gericht in Guatemala fordert nun die Rückgabe des geraubten Kindes. Die in Missouri lebenden "Adoptiveltern" haben zwei Monate Zeit, Anyelí zurückzugeben. Anderenfalls drohen ihnen eine - allerdings mit knapp 400 US-Dollar denkbar geringe - Geldstrafe und die Einschaltung von Interpol.

Hinter dem Raub und Verkauf des Mädchens steckt nach den Ermittlungen der UNO-Kommission gegen die Straffreiheit in Guatemala (Cicig) eine ganze Mafia. Die Staatsanwälte der Vereinten Nationen, die das organisierte Verbrechen Guatemalas und seine Verbandelung mit Justiz und Staat aufklären sollen, haben ein ganzes Netzwerk von Anwälten, Richtern, Staatsbeamten und Adoptionsvermittlern aufgedeckt, das im Fall von Anyelí zusammengearbeitet hat - aber nicht nur in ihrem.

Ende vergangener Woche wurde der Kinder- und Jugendrichter Mario Fernando Peralta unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und des Menschenhandels verhaftet. Peralta hatte im April 2007 das Kind Dafne Nayeli Camey Pérez zur Adoption freigegeben und an die Agentur Asociación Primavera übergeben. In den Verfahren war eine angebliche Mutter aufgetreten, die aussagte, sie gebe die Kleine freiwillig her. Bei illegalen Adoptionen ist dies ein durchaus übliches Verfahren, mit dem der legale Schein gewahrt bleiben soll. Ein Gentest aber bewies, dass diese "Mutter" nicht die leibliche war. Peralta ignorierte den Test.

150 Millionen Dollar im Jahr

Im Mai 2008 - Dafne war noch immer in Guatemala unter der Obhut der Adoptionsagentur - meldete sich die tatsächliche Mutter. Sie hatte ihre Tochter bei der Durchsicht von Kopien neu ausgestellter Kinderpässe erkannt. Das Foto war eindeutig, nur der Name war geändert worden. Ein Gentest bewies: Dafne, die in den Papieren Yajaira Noemí Muyus hieß, ist ihre leibliche Tochter. Trotzdem bestätigte Peralta die Rechtmäßigkeit der Adoption und ließ das Kind mit dem US-Paar ausreisen. Nach Recherchen der Menschenrechtsorganisation Sobrevivientes, die Eltern geraubter Kinder juristisch berät, war der Richter an mindestens 23 Fällen von illegalen Adoptionen beteiligt.

Kinderhandel ist in Guatemala ein Millionengeschäft. Nach Schätzungen von Unicef werden damit pro Jahr bis zu 150 Millionen Dollar umgesetzt. Allein im Jahr 2007 gingen über 4.000 Kinder ins Ausland, 87 Prozent davon in die USA. Nur China hat in diesen Jahren mehr Kinder zur Adoption ins Ausland gegeben als das kleine zentralamerikanische Land.

Richter Peralta wurde nach wenigen Stunden wieder freigelassen. "Wir sind verwundert", sagt Diego Álvarez, der Sprecher von Cicig. "Dieselbe Richterin, die gestern einen Haftbefehl unterschrieben hat, kann heute auf der Basis derselben Beweise keine Haftgründe mehr erkennen."

Das Ehepaar Monahan aus Missouri will der Anweisung - zumindest vorläufig - nicht nachkommen. Sie würden "weiterhin die Sicherheit und die Interessen ihrer legal adoptierten Tochter schützen", ließ das Paar in Washington erklären. Sie wollten dem Kind "jegliches Trauma ersparen" und selbst seine Vergangenheit erforschen. Die allerdings dürfte den Monahans bekannt sein. Ihre eigenen Aufzeichnungen zum Adoptionsprozess, die einer US-Journalistin vorliegen, belegen, dass sie über die DNA-Tests und die gefälschte Identität im Bilde waren.

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