Im Tauschladen in Berlin: Immer ein guter Tausch
Es ist ein stetes Geben und Nehmen in diesem besonderen Geschäft: Im Tauschladen „Haltbar“ von der Berliner Tafel kann man solidarisch shoppen gehen.
Eine Kundin betritt den Laden und weiß schon genau, was sie sucht: eine Tortenplatte. Die Mitarbeiterin des Tauschladens Haltbar im gutbürgerlichen Berliner Westbezirk Charlottenburg überlegt kurz, kramt dann einen großen Glasteller aus einem Eck des ziemlich vollgestellten Shops und man ist sich schnell handelseinig: Das gute Stück findet für die Spende von drei Euro eine neue Besitzerin.
Haltbar gibt es nun seit ziemlich genau fünf Jahren, betrieben wird der Laden von der Berliner Tafel, die gespendete Lebensmittel und Hygieneartikel an Bedürftige in der Stadt verteilt. Im Laden können Spenden für diese Tafeln abgegeben werden und so sammeln sich in zwei Kisten Kaffeepackungen, Süßigkeiten und andere Dinge, die bald für die weitere Verteilung abgeholt werden.
Es wird schon gern gespendet
Der Bedarf an solchen Produkten ist immens, und seit der Coronapandemie werden die Tafeln immer wichtiger für viele Berliner und Berlinerinnen, bei denen es finanziell eng ist. Ohne sie würde vielen eine wichtige Hilfe wegbrechen, was sich durchaus in der ganzen Stadtgesellschaft herumgesprochen hat. Das wissen auch diejenigen, die sonst der Meinung sind, die Tafeln würden soziale Aufgaben übernehmen, für die sich eigentlich der Staat verantwortlich zeigen sollte. Die Spendenbereitschaft sei dementsprechend groß, so die Mitarbeiterin von Haltbar.
Die Besonderheit
Bei Haltbar hat nichts einen festen Preis. In dem Laden in der Nähe des Savignyplatzes in der Pestalozzistraße 100 kann man die Gegenstände durch Geldspenden erwerben, sie aber auch ganz ohne Geld gegen andere Dinge oder abgegebene Lebensmittel eintauschen. Es ist schlicht alles eine Frage des Verhandelns.
Das Zielpublikum
Menschen mit schmalem Geldbeutel genauso wie solche, denen es finanziell gut geht. Das meiste kostet nicht viel, in einer Glasvitrine gibt es aber auch teurere Preziosen.
Hindernisse auf dem Weg
Man glaubt vielleicht gar nicht sofort, wirklich vor einem sozialen Tauschladen zu stehen, wenn man zum ersten Mal bei Haltbar landet. Der Laden sieht eben einfach ungewöhnlich schick aus.
Gefragt sind hier aber nicht nur Lebensmittel, sondern man kann eben auch Haushaltswaren, Spielzeug, alte Bilder und was sich sonst noch so auf dem Dachboden finden lässt, anbieten. Einfach nur als Spende oder im Tausch.
Tauschen mit Augenmaß
Wer also das geerbte Teeservice von Tante Erna loswerden will, kann sich dafür vielleicht ein Kaffeekännchen mit Goldrand mitnehmen. Die Mitarbeiterin von Haltbar, die einmal in der Woche ehrenamtlich hier arbeitet, erklärt, sie handle die Tauschdeals mit Augenmaß aus. In den allermeisten Fällen würden Kunden und Kundinnen auch gar nicht groß feilschen wollen, weil sie wüssten, dass Haltbar einen sozialen Zweck erfüllt.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Nur die professionellen Trödel- und Antiquitätenhändler, die hier auch auftauchten im Laden, würden gelegentlich nerven, wenn ihnen zu deutlich anzumerken ist, dass sie bloß ein paar gute Schnäppchen machen wollen.
Gegründet wurde Haltbar von Angela Schoubye, die den Laden immer noch leitet. Für sie ist er viel mehr als nur ein Ort, an dem vornehmlich Spenden für die Berliner Tafel akquiriert werden sollen. Er sei auch da für „Tausch und Plausch“, sagt sie, als man sie am Telefon erreicht. Manche kämen aus der Nachbarschaft vorbei, nur um sich ein wenig mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu unterhalten.
Neben dieser sozialen Funktion sei das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig, „den Dingen im Tausch einen neuen Zweck geben und sie wertzuschätzen“. Einmal in der Woche trifft sich außerdem eine Häkel- und Strickgruppe im Laden, deren Handarbeiten dann in diesem angeboten werden.
Und Veranstaltungen gibt es auch bei Haltbar. Anfang November zum Beispiel wird hier zwischen alten Tennisschlägern aus Holz, den Puzzles und Brettspielen aus der Kinderecke, DVDs und Tischgedecken, die langjährige Richterin des Bundesverfassungsgerichts, Susanne Baer, ihr neues, viel besprochenes Buch vorstellen. Tickets gibt es auf Spendenbasis. Die Autorin gibt auch Lesungen an prestigeträchtigeren Orten in Berlin, gegen Gage, „bei uns will sie nichts“, sagt Angela Schoubye.
Solidarität tut einfach gut
Auf Leute wie Baer, die sich bewusst mit ihrem Ladenkonzept solidarisieren, ist sie natürlich auch angewiesen. Vorneweg auf ihre großzügigen Vermieter, die inkognito bleiben wollen, und die Räumlichkeiten des Ladens an dieser ziemlich noblen Ecke Berlins von Beginn an kostenlos zur Verfügung stellen.
Haltbar ist also alles Mögliche und verfolgt eine für vieles offene Grundidee. Bei der Auswahl der Dinge, die den Laden füllen dürfen, wird dagegen ganz offensichtlich mit klarer Linie vorgegangen. Auf keinen Fall soll es hier ramschig aussehen, das merkt man auf jeden Fall. Man befindet sich hier schließlich in der Nähe des vornehmen Savignyplatzes. Die ausgestellten Gegenstände wirken geordnet, alles scheint seinen Platz zu haben. Dellen, Sprünge, Kratzer sind kaum irgendwo zu erkennen.
Gewisse Dinge werden gar nicht mehr erst angenommen, etwa Töpfe und Pfannen, aber auch Bücher. Gesucht werden dagegen beispielsweise Vasen, Tischdecken und Schallplatten, die vielleicht etwas besonderen Stücke also. Wer etwas Schönes abgibt, soll sich dafür zum Dank eben einfach auch etwas Schönes heraussuchen können.
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