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Immer wieder Ärger mit der PostEin schnelles Tänzchen in der Postfiliale

Alle Klischees über deutsche Bürokratie-Tristesse und Mitarbeiterwillkür lassen sich bestätigen, meint unser Kolumnist. Wenn man nur ein Postfach hat.

Ein Weg, den man doch auch gern gehen will zu seiner Post Foto: Martin Gerten/picture alliance/dpa

W ar ja klar, dass es irgendwann auch mich erwischen würde, dachte ich mir damals. Bei den meisten meiner Nach­ba­r:in­nen war es längst passiert. Einigen sogar schon öfter. Und nun, das ist jetzt drei Jahre her, auch mir: ein aufgebrochener Briefkasten.

Aus beruflichen Gründen wollte ich mir eh schon länger ein Postfach einrichten lassen. Was soll’s, dann also jetzt. Ich ging auf die Website der Post und – was soll ich sagen – ich war begeistert! So viel niedrigschwellige Dienstleisterei! Mashallah, Deutschland! Die Online-Anmeldung war überraschend unkompliziert, der günstige Jahrespreis lag im unteren zweistelligen Bereich. Außerdem gebe es vorab per Mail einen Scan von jedem Umschlag. So weiß man auf Anhieb, ob das Abholen der Briefe eilt. Wie toll!

Ehe das hier zur Dauerwerbekolumne ausartet, eines schon mal vorweg: Das Schönste hatte ich damit schon hinter mir. Die folgenden Jahre entsprachen allen Klischees über deutsche Bürokratie-Tristesse und Mitarbeiterwillkür.

Knapp zwei Wochen später lag der Brief mit dem Termin für die Abholung der beiden Postfachschlüssel im reparierten Briefkasten. Sollte ich verhindert sein, konnte ich jemanden bevollmächtigen. Tatsächlich stand eine Reise an, und ich erwartete einen wichtigen Brief. Ein Freund wollte alles für mich erledigen und das Postfach leeren. Gut gelaunt gab ich ihm die nötigen Unterlagen.

Drei wunderbare Jahre

Tja, natürlich kam es anders. Mein Kumpel traf auf eine störrische Mitarbeiterin, die ihre Macht zu genießen wusste. Mit einer Vollmacht sei die Schlüsselübergabe nicht möglich. Das war der Auftakt zu drei wunderbaren Jahren: Gab es etwas zu klären, traf ich in neun von zehn Fällen auf frustrierte Mitarbeitende. Einfache Fragen wurden oft erst nach dem dritten Anlauf halbgar beantwortet.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Einmal bekam ich eine Mahnung. Ich hätte das Fach lange nicht mehr geleert (stimmte!) und es sei voll (stimmte gar nicht!), ich solle kommen, sonst Kündigung. Tatsächlich war noch locker Platz für dreimal so viele Briefe. Na ja, so sammelten sich über die Jahre hinweg die unerfreulichen Erfahrungen.

Ich dankte und ging kopfschüttelnd – vom Regen der Traufe entgegen

Dann, vor wenigen Wochen, ein neuer Brief: Die Filiale mache dicht, das Postfach ziehe ein paar Straßen weiter. Mein erster Impuls: vom Regen in die Traufe. Als ich ein letztes Mal an alter Stelle meine Post abholen wollte, kam ein Mitarbeiter – immerhin ungefragt – zu mir in den menschenleeren Raum mit den Fächern. Aber nur, um verlautbaren zu lassen, dass die Fächer doch längst am neuen Standort seien. Unterton: Was wollen Sie denn noch hier?! Ich dankte und ging kopfschüttelnd – vom Regen der Traufe entgegen.

Doch vor Ort dann ein echter Plot-Twist: Ich stand plötzlich mitten in einem riesigen Späti. Der Raum lichtdurchflutet und voller bunter Artikel. Es lief laut Salsa-Musik.

Eine junge Frau sortierte gerade die Tagespost in die Fächer ein und machte etwas eher Ungewöhnliches für eine Postfiliale: Sie tanzte dabei. Sie stand mit dem Rücken zu mir. Als ich sie ansprach, erschreckte sie sich. Ich schwang sofort die steife Hüfte mit – kurz, kurz, lang nach rechts, kurz, kurz, lang nach links – und erklärte mich. Sie musste lachen. Zwei Minuten später hielt ich meine neuen Schlüssel und die ersten Briefe in der Hand. „Wir haben sieben Tage die Woche geöffnet. Rund um die Uhr“, sagte sie noch.

Ich verließ den Laden mit einem breiten Grinsen. Klar, die Post will sparen, und so ein 24/7-Späti funktioniert nicht ohne Selbstausbeutung. Dazu an anderer Stelle mehr. An diesem Tag dachte ich nur: Almanya, geht doch! Hier ein Lächeln trotz entgrenzter Arbeit, dort trübe Blicke bei soliden Arbeitsbedingungen.

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Bobby Rafiq
In Kabul geboren, in Berlin gereift. Schon als Kind im Widerstand gegen Exoten-Bonus und Kanaken-Malus. Heute als Autor und Producer zu unterschiedlichen Themenfeldern journalistisch unterwegs. Für TV, Print, Online und Bühne. Und fast immer politisch.
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3 Kommentare

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  • Das ist vergleichsweise Kleinkram. Die Post hat mir im Laufe der lezten drei Jahre 5 (in Worten FÜNF) mal meinen Zaun heftigst zerstört. Kostenersatz dafür? Pustekuchen! Entweder konnte die Post den Fahrer nicht identifizieren (???) oder aber es erfolgte vier Monate lang keine Antwort. Anrufen kann man die Filiale nicht, hingehen und den Chef sprechen - geht nicht, der ist nicht erreichber, einen Brief an die Filiale schreiben? Keine Antwort ist das Resultat. Die TAZ wurde -ich weiß nicht wie oft- entweder gar nicht zugestellt oder um Tage verspätet, oft beschädigt. Reklamation - nur von der TAZ bearbeitet, nicht ein einziges Mal von der Post. Kurz: das ist ein Saftladen mit Milliardengewinn ....

    • @Perkele:

      Mal bis zum Ende lesen... Es lohnt sich.



      Und nicht immer gleich den Zaun reparieren.



      Oder ein Postfach etablieren.

      • @StarKruser:

        Wie man sieht ist's nie zu spät:



        Contra Beamtenmentalität.



        Wenn samstags ich das Postfach leere,



        Ist's als ob Totensonntag wäre.