Wo Touristen Urlaub machen: Massengrab mit Sektenopfern entdeckt
In einem Waldstück in Kenia wurden Leichen von Kindern gefunden. Sie sind Opfer einer Sekte, die 2023 ein Massaker an ihren Mitgliedern verübte.
Sektenführer Paul Makenzi, der mittlerweile mit 92 seiner Gefährten und seiner Ehefrau vor Gericht steht, hatte seinen Anhängern gepredigt, dass sie nur in den Himmel kommen, wenn sie sich alle zu Tode hungern. Seiner Sekte Good News International (GNI) hatten sich vor allem Leute aus ärmeren Schichten angeschlossen, viele gemeinsam mit ihren Kindern.
„Wir wurden angewiesen zu fasten, um unsere Reise in den Himmel zu beschleunigen“, berichtete ein 15-jähriger Zeuge vor den Richtern im Gerichtssaal in Mombasa am Montag: „Makenzi hatte darauf hingewiesen, dass es Botschaften gebe, in denen Jesus angedeutet hätte, dass er nicht wiederkommen würde, sondern dass sein Volk ihm durch den Tod folgen sollte“, so der Junge.
2023 hatte er seinen Bruder verloren: „Letztlich war er zu schwach vor lauter Hunger und Durst“.
Schnelleres Sterben befohlen
Der junge Zeuge sagte aus, dass Makenzi bereits 2022 angeordnet hätte, schneller zu sterben, weil angeblich der Ukrainekrieg bereits das Ende der Welt ankündige und „die Tür zur Arche Noah sich bald schließen würde“. Daraufhin seien Kinder und Jugendliche in ein Zelt gepfercht worden, das aus schwarzen Plastikplanen in der prallen Sonne errichtet worden war. Wie in einer Sauna saßen die Kinder dort, berichtet er, „um das Sterben durch Dehydrierung zu beschleunigen.“
Mehrfach sei er zuvor mit seinem Bruder aus dem Wald geflohen, erzählt er. Doch Makenzis Sicherheitsleute, bewaffnet mit Macheten, hätten ihn immer wieder eingefangen und ihn gezwungen, weiterzuhungern. Ein weiterer, 14-jähriger Zeuge bestätigt dies vor Gericht: „Ich wurde wie ein Hund geprügelt, als sie mich dabei erwischten, wie ich Essen gestohlen habe.“
Während der mittlerweile zwei Jahre andauernde Prozess vor dem Gericht in Mombasa nun in die Schlussphase geht, tun sich unweit des Shakaholawalds weitere Abgründe auf: Wieder stapfen dort Forensiker in weißen Schutzanzügen durch das Unterholz nahe dem Dorf Binzaro – nur rund zwei Kilometer von den Massengräbern entfernt, die 2023 ausgehoben worden waren. Wieder werden Leichen geborgen.
Das Ermittlerteam sprach am Mittwoch von mutmaßlich acht Kinderleichen, die dort in den vergangenen Tagen gefunden wurden. Doch die Ausgrabungen, die das Gericht am Montag angeordnet hat, seien noch nicht abgeschlossen. Vier Menschen wurden lebendig geborgen und zunächst ins Krankenhaus eingeliefert, weil sie schwach waren.
„Diese Ideologie existiert immer noch“
Ein Ehepaar wurde verhaftet. Beide hatten das Massenfasten 2023 überlebt. Jetzt betreiben sie, so die Ermittler, den Kult fort. Sie seien nach Verhaftung des Sektenführers 2023 zunächst gemeinsam mit ihren sechs Kindern in ihr Dorf zurückgekehrt, berichtet der Bruder des Verhafteten der Polizei.
Dann sei das Paar mit den Kindern im März erneut verschwunden. Über den Verbleib der Kinder ist noch nichts bekannt. DNA-Tests müssen durchgeführt werden, um herauszufinden, ob sie unter den entdeckten Leichen sind.
Der Bruder des Verhafteten berichtet, er habe mit seinem Bruder in Haft telefoniert. „Diese Ideologie existiert immer noch“, warnt er: „Er hat immer noch Anhänger draußen und er kommuniziert vom Gefängnis aus mit ihnen via Telefon.“
Während die Forensiker nun erneut Gräber ausheben, klagt das Krankenhaus der Provinz Malindi, dass die Leichenhalle bereits von den mehr als 450 Leichen voll sei, die seit 2023 dort lagern. Die meist seien bislang nicht identifiziert worden. „Es ist schockierend, dass es etwa zwei Jahre nach dem ersten Shakaholafall zu einem weiteren kommt“, sagte Hussein Khalid von der Organisation Vocal Africa. Er wirft der Regierung Versäumnisse vor.
Am Dienstag wurde ein Gesetzesentwurf angenommen, der die Neuregistrierung aller religiösen Gruppen im Land vorsieht. „Wir werden sicherstellen, dass die Religionsfreiheit in Kenia erhalten bleibt“, versichert Präsident Ruto den über 100 anwesenden religiösen Führern.
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