In Tunesien: Angriff auf Gaza-Flottile?
Auf einem Boot der Gaza-Flottile bricht Feuer aus. Die Aktivisten sprechen von einem Drohenangriff. Videos zeigen den Feuerschweif eines Geschosses.

Der Friedensaktivist Miguel Duerte hielt auf dem sogenannten „Familienschiff“ Wache, als er eine Drohne bemerkte, die vier bis fünf Meter über ihm schwebte. „Zunächst hörte ich ein das laute Summen, dann sahen meine Kollegen und ich wie sie zum Heck des Schiffes flog, kurz in der Luft stehen blieb und eine Bombe abwarf“, berichtete der Portugiese am Dienstagmorgen auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz vor dem berühmten „Théâtre Municipal“ im Zentrum von Tunis. Dutzende Journalisten und Hunderte Pro-Palästina-Anhänger hatten sich dort versammelt. Der Angriff löste in Tunesien binnen Stunden eine Welle der Empörung aus.
„Es gelang uns das ausgebrochene Feuer schnell zu löschen“, berichtet Duerte, der sich zur Zeit des Angriffs mit fünf Mitstreiter:innen an Bord des unter portugiesischer Flagge fahrenden Schiffs befand. Aufnahmen von fest installierten Überwachungskameras von in der Nähe liegender Boote zeigen den Feuerschweif eines Geschosses und die von Duerte beschriebene Explosion. Das Innenministerium in Tunis zeigte sich zunächst zurückhaltend. Man habe keine Drohne wahrgenommen, hieß es in einer Erklärung am frühen Morgen. Die Explosion sei nach ersten Augenschein vom Schiff ausgegangen. Es würde aber weiter ermittellt.
Der Tunesier Wael Naouar hatte bereits im Frühjahr einen Fahrzeugkonvoi nach Gaza organisiert, den ostlibysche Behörden stoppten. Nun gehört er, wie über 140 weitere Tunesier, zu den Mitinitiatoren des Sumud-Konvois. „Im Hafen von Sidi Bousaid wurde die Souveränität unseres Landes verletzt. Das muss vollständig aufgeklärt werden“, forderte Naouar auf einer Pressekonferenz.
Aktivisten wollen trotzdem weiter nach Gaza
Thiago Avila, einer der Köpfe der „Friedens-Flotilla“, erklärte vor jubelnder Menge am Theater, man lasse sich vom Angriff auf das Führungsschiff der Sumud-Flotte nicht einschüchtern. „Dies ist das 38. Schiff, das während der 17-jährigen Blockade des Gaza-Streifens angegriffen wurde – nur, weil es Teil einer humanitären und friedlichen Mission ist“, sagte Avila.
Trotz der Explosion wollen am Mittwoch über 60 Schiffe in Richtung Gaza aufbrechen. An Bord ist auch die frühere Umweltaktivistin Greta Thunberg, die im Hafen des malerischen Sidi Bousaid unter großem Beifall empfangen wurde.
In den vergangenen Tagen hatte sie mit Aktivisten aus 44 Ländern an einem Training zum Umgang mit extremer Gewalt teilgenommen. Die Besatzungen rechnen damit, noch vor Erreichen der Hoheitsgewässer des Gaza-Streifens von israelischen Spezialkommandos angegriffen zu werden.
Israels Sicherheitsminister Ben Gvir hatte angekündigt, die Teilnehmer der „Global Sumud-Flotilla“ wie Terroristen zu behandeln. „Sumud“ bedeutet im Arabischen „Beharrlichkeit“. Greta Thunberg hatte bereits im Juni versucht, mit einer Jacht die Blockade Gazas zu durchbrechen, wurde jedoch zusammen mit ihren Mitstreitern von israelischen Kommandos festgenommen und ausgewiesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Linken-Bashing in der „Zeit“
Vom bürgerlichen Drang, über Mitte und Norm zu herrschen
US-Verteidigungsministerium umbenannt
Kriegsminister gibt es wieder
Historikerin über rechte Körperpolitik
Die Fantasie vom schönen Volk
USA unter Trump
Supreme Court ebnet Weg für Racial Profiling
Mieterbund-Präsidentin zur Mietenpolitik
„Wohnen ist die soziale Krise unserer Zeit“
Problem Holzkohle
Grillgenuss ohne Waldverlust