Indien und die Politik der heiligen Kuh: Rinder dürfen wieder verkauft werden

Das oberste Gericht hebt den Stopp des Rinderhandels für drei Monate auf. Kritiker sehen das Verbot vor allem als antimuslimisch an.

Ein Mensch verneigt sich mit aneinandergelegten Händen vor einer braunen Kuh

Inderin mit Kuh an dem für Hindus mystischen Ort Allahabad. Dort fließen der Ganges, der Yamuna und der unsichtbare Sarasvati zusammen Foto: ap

BERLIN taz |Indien oberster Gerichtshof hat am Dienstag das umstrittene Verbot des Handels mit Kühen für drei Monate ausgesetzt. Das politisch brisante Verbot war von der hindunationalistischen Regierung am 25. Mai für ganz Indien beschlossen worden und betraf auch den Handel mit Büffeln und Kamelen.

Erlaubt waren nur noch der Handel zu Zuchtzwecken, von Zugtieren oder zur Milchproduktion, aber nicht mehr mit dem Ziel des Schlachtens. Letzteres ist in den meisten indischen Bundesstaaten verboten.

Offiziell begründete die Regierung von Ministerpräsident Narendra Modi das Handelsverbot mit dem Schutz der Gesundheit der Tiere. Dabei argumentieren selbst Tierschützer, dass kranke Tiere notfalls geschlachtet werden müssen, um etwa eine ganze Herde vor dem Ausbruch einer Seuche zu schützen.

Beobachter glauben deshalb, dass es der hindunationalistischen Regierung vielmehr um die Propagierung ihrer Hindutva-Ideologie geht, laut der Kühe heilig sind.

Muslime besonders betroffen

Das Verbot betraf denn auch vor allem Muslime, weil diese überproportional in Indiens Fleisch- und Lederwirtschaft arbeiten. Geklagt hatten jetzt Bundesstaaten, in denen diese Sektoren eine besondere Rolle spielen oder Rindfleisch zu den traditionellen Speisen zählt.

Im südlichen Tamil Nadu etwa hatte ein dortiges Gericht bereits am 30. Mai das Handelsverbot für unwirksam erklärt. Die jetzige Entscheidung des obersten Gerichts gilt nun für das ganze Land. Die Regierung kündigte unmittelbar danach an, bis Ende August eine überarbeitetes Gesetz vorlegen zu wollen.

Im Kern geht es um die Frage, ob Indien weiter ein säkularer Staat bleibt

Im Kern der juristischen Auseinandersetzung geht es um die Frage, was die Zentralregierung den einzelnen Bundesstaaten vorschreiben darf. Der oberste Richter Jagdish Singh Khehar begründete sein Urteil aber auch mit den wirtschaftlichen Folgen des Verbots: „Das sollte den Lebensunterhalt von Menschen nicht betreffen.“

Indien ist mit einem Volumen von 16 Milliarden US-Dollar zusammen mit Brasilien der größte Rindfleischexporteur der Welt. Dabei stammt aber das meiste von Indien exportierte Fleisch von Büffeln.

Im Kern des politischen Konflikts geht es darum, was eine hinduistische Mehrheit einer muslimischen Minderheit vorschreiben darf und damit um die Frage, ob Indien weiter ein säkularer Staat bleibt oder aber zu einer von Hindunationalisten angestrebten Hindu­nation wird.

Selbsternannte Kuhschützer töten Menschen

Seit die rechte hindunationalistische Volkspartei (BJP) 2014 die Regierung übernahm, gehen selbsternannte Kuhschützer stärker gegen mutmaßliche Rinderschlächter vor. Schon mehrfach wurden Muslime und Dalit (Kastenlose) gelyncht, denen Handel mit Rindfleisch oder das Schlachten von Kühen vorgeworfen wird.

Der Bundesstaat Gujarat, in dem Ministerpräsident Modi lange Regierungschef war, hatte im März die Haftstrafe für das Schlachten von Kühen auf „lebenslänglich“ erhöht und damit das Leben von Kühen und Menschen gleich gewichtet. Wer aber einen Muslim tötet, der im Verdacht des Kuhschlachtens steht, kommt in der Praxis oft ungeschoren davon.

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