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Indigene Frauen auf dem UN-KlimagipfelDie den Wald beschützen

Indigene Frauen spielen eine zentrale Rolle beim Schutz der Ökosysteme. Auf der Klimakonferenz fordern sie, gehört zu werden.

Die brasilianische Ministerin für Indigene Völker Sonia Guajajara ermöglicht es vielen Indigenen Frauen, beim Klimagipfel zu sein Foto: Fernando Llano/AP

Aus Belém

Sophia Boddenberg

Während die offiziellen Verhandlungen der UN-Klimakonferenz von Männern dominiert werden, haben sich in Belém indigene Frauen aus der ganzen Welt getroffen, um eigene Lösungsvorschläge für die Klimakrise auszuarbeiten. Beim ersten Globalen Gipfel indigener Frauen kamen über 200 lideresas zusammen, die in ihren Gemeinschaften und Organisationen führende Rollen einnehmen.

„Indigene Frauen sind die Ersten, die unter der ökologischen Krise und dem Klimawandel leiden“, sagt Sônia Guajajara in ihrer Eröffnungsrede. Sie ist die erste Ministerin für indigene Völker in Brasilien. „Es gibt keine Lösungen für die Klimakrise ohne uns indigene Frauen“, sagt sie weiter. Die Ministerin hebt hervor, dass noch nie so viele Indigene an einer Weltklimakonferenz teilgenommen haben wie hier in Belém. Insgesamt seien etwa 3.000 in der Stadt.

Die Veranstaltung wird organisiert vom Internationalen Forum Indigener Frauen (FIMI), einem globalen Netzwerk von Aktivistinnen aus Amerika, Afrika, Asien, der Arktis und der Pazifikregion.

Die 74-jährige Tarcila Rivera Zea ist Quechua-Aktivistin aus den peruanischen Anden und hat das FIMI mitgegründet. Seit über 50 Jahren setzt sie sich dafür ein, dass indigene Frauen auf internationaler Ebene – zum Beispiel bei den Vereinten Nationen – Gehör finden.

„Der Rassismus erschwert unsere Teilnahme und schwächt unser Selbstbewusstsein“, erklärt sie und betont, dass indigene Frauen viele Formen der Gewalt erleben. „Der Klimawandel ist eine weitere Form der Gewalt, die unser Leben in der Gemeinschaft gefährdet.“

Indigene nutzen ihr Land oft besonders nachhaltig

Viele indigene Gemeinschaften leben von der Subsistenzwirtschaft. Extreme Wetterereignisse wie Dürren und starker Regen beeinträchtigen die Ernte, sagt Rivera Zea. Das führe dazu, dass viele Männer in die Städte ziehen, um dort nach Lohnarbeit zu suchen. „Die Frauen bleiben zurück, sie kümmern sich um die Kinder, die Tiere und die Pflanzen. Das ist eine enorme Belastung.“

Den Vereinten Nationen zufolge befinden sich 80 Prozent der verbliebenen Biodiversität der Erde in indigenen Territorien. Das ist kein Zufall, sondern liegt daran, dass sie ihre Gebiete durch ihr traditionelles Wissen und ihre Lebensweise besonders nachhaltig nutzen.

Die indigenen Frauen wollen auf der UN-Klimakonferenz nicht nur als Opfer oder als Betroffene der Klimakrise wahrgenommen werden, sondern als Akteurinnen, die einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Natur und Artenvielfalt leisten. Sie beschützen Saatgut, pflegen Böden und verteidigen Territorien. „Unser traditionelles Wissen über Lebensmittelproduktion und Heilpflanzen ist Teil der Lösung“, sagt Tarcila Rivera Zea.

Zwei Tage lang treffen sich Frauen aus Ländern wie Mexiko, Kenia und Nepal im Museu Emílio Goeldi in Belém und sprechen über traditionelles indigenes Wissen zu Saatguterhalt, Agroökologie, Wassernutzung und Waldschutz.

Brasilien unterstützte indigene Frauen auf Konferenz

In ihrem Abschlussdokument, das der taz vorliegt, stellen sie zehn Forderungen auf, unter anderem den Schutz indigener Territorien, den Zugang zu Klimafinanzierung, eine globale Anpassungsagenda, die indigenes Wissen anerkennt sowie die Teilhabe indigener Frauen an den Klimaverhandlungen. Das Dokument übergaben die Frauen anschließend der indigenen Vertretung bei der Klimakonferenz, damit ihre Forderungen in die offiziellen Verhandlungen einfließen.

Die brasilianische Ministerin für indigene Völker Guajajara hat die Partizipation indigener Frauen bei der UN-Klimakonferenz aktiv gefördert. Als Vorbereitung bot das Ministerium Workshops und Trainings für An­füh­re­r*in­nen Indigener Organisationen an. Während der Konferenz wurden Übernachtungsmöglichkeiten für 3.000 Indigene aus Brasilien und dem Ausland angeboten.

Célia Xakriabá, eine indigene Aktivistin des Volks der Xakriabá und Parlamentsabgeordnete in Brasilien, hat die Kampagne „Sem Mulher Não Tem Clima“ (etwa: „Ohne Frauen gibt es kein Klima“) ins Leben gerufen, um die Gewalt gegen Frauen in der Klimakrise sichtbar zu machen und eine geschlechtergerechte Klimapolitik voranzutreiben. 20 weitere Länder haben sich der Kampagne angeschlossen.

Dem brasilianischen Ministerium für indigene Völker zufolge sind etwa 800 Indigene in der sogenannten Blue Zone bei der Klimakonferenz akkreditiert, wo die offiziellen Verhandlungen stattfinden.

Indigene: „Unsere Arbeit wird unsichtbar gemacht.“

Fany Kuiru ist eine von ihnen. Sie ist die erste Frau, die die Coordinadora de Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazónica (COICA) leitet, eine Dachorganisation, die die Rechte der Indigenen aus allen neun Ländern des Amazonasbeckens vertritt. Sie wuchs in La Chorrera im kolumbianischen Amazonasgebiet auf, eines der Zentren des Kautschukbooms, wo zum Ende des 19. Jahrhunderts Tausende Indigene versklavt und ermordet wurden.

Als Gemeindevorsteherin der Indigenen Uitoto und Leiterin der COICA kämpft sie dafür, das Bewusstsein für den Beitrag indigener Frauen zum Klimaschutz zu schärfen. „Wir indigenen Frauen sind diejenigen, die in Amazonien Widerstand leisten, und wir sind diejenigen, die in diesem Gebiet Aufforstung betreiben und unsere für die Welt lebenswichtigen Ökosysteme beschützen“, sagt sie in einem Gespräch in der Blue Zone zur taz.

„Aber unsere Sorgearbeit für die Wälder, für die Familien, für das Leben generell wird unsichtbar gemacht“, fährt Kuiru fort. „Die indigenen Frauen heilen mit ihren Händen die Wunden der zerstörten Natur.“

Fany Kuiru spricht von einem „stillen Genozid“ gegen Indigene. Der Rohstoffabbau habe schwerwiegende gesundheitliche Folgen, der illegale Bergbau beispielsweise verseuche die Flüsse mit Schwermetallen, was an manchen Orten zu Unfruchtbarkeit bei Frauen geführt habe.

Der Amazonas-Regenwald ist eines der artenreichsten Gebiete der Erde, ihr wichtigster Kohlenstoffspeicher, und er wird von über 500 Indigenen Völkern bewohnt. Fast die Hälfte des verbleibenden intakten Waldes im Amazonasbecken befindet sich in indigenen Gebieten. „Die Rettung von Amazonien liegt in den Händen der indigenen Frauen“, sagt Kuiru.

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