Industriestaaten bringen Öl auf den Markt: Notfallreserven angezapft

Die Industriestaaten werfen ihre Ölvorräte auf den Markt. Die IEA begründet das mit Öl-Knappheit wegen des Libyen-Kriegs. Auch Deutschland macht mit. Damit könnte Benzin billiger werden.

Öl-Förderung in der ESC-2012-Stadt Baku, Aserbaidschan. Bild: dpa

PARIS/WASHINGTON dpa | Benzin dürfte schon bald billiger werden: Denn die Industriestaaten zapfen angesichts der knapper werdenden Vorräte ihre Notfallreserven an. Damit sollen die Förderausfälle aus dem kriegsgebeutelten Libyen ausgeglichen werden. Insgesamt 60 Millionen Barrel (je 159 Liter) fließen aus den staatlichen Tanklagern auf den freien Markt. Auch Deutschland steuert seinen Teil dazu bei. Die Ölpreise weltweit kamen am Donnerstag mächtig ins Rutschen.

Die französische Regierung forderte die Tankstellenbetreiber auf, den zu erwartenden Rückgang der Ölpreise unverzüglich an die Verbraucher weiterzugeben. Jede Preissenkung müsse mit der geringstmöglichen Verzögerung an den Zapfsäulen zu sehen sein, ließ Energieminister Eric Besson mitteilen. An Total-Chef Christophe de Margerie habe er die Forderung persönlich gerichtet. Der Manager des größten französischen Ölkonzern habe eine positive Rückmeldung gegeben.

Im späten Nachmittagshandel fiel der Preis für ein Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent um satte 7 Dollar auf 107 Dollar. Ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) kostete unter 91 Dollar und damit annähernd 5 Dollar weniger als zuvor. Damit hat die Aktion, die unter Federführung der Internationalen Energieagentur (IEA) steht, ihr Ziel bereits erreicht: Die Weltwirtschaft solle weich landen, sagte IEA-Chef Nobuo Tanaka in Paris.

Auch Deutschland zapft an

Die Sorge war, dass hohe Ölpreise den Aufschwung abwürgen. Damit das nicht passiert, zapfte auch Deutschland erstmals seit 2005 wieder seine strategische Ölreserve an. Berlin verkauft insgesamt 4,2 Millionen Barrel Rohöl oder Ölprodukte auf dem freien Markt. Das bestätigte das Bundeswirtschaftsministerium. Zuletzt hatte die Bundesregierung das staatseigene Öllager angetastet, nachdem Hurrikan "Katrina" schwere Verwüstungen in den USA angerichtet hatte und die Ölpreise daraufhin nach oben geschossen waren.

Die jetzt freigegebene Menge ist aber nur ein Bruchteil der deutschen Notreserven, die 25 Millionen Tonnen Rohöl und Erdölfertigprodukte umfassen und per Gesetz für 90 Tage reichen müssen. Weltweit lagern 4,1 Milliarden Barrel in den Tanks, 1,6 Milliarden Barrel davon halten Staaten für Notfälle vor. Die Menge reicht aus, dass die ölimportierenden Länder 146 Tage ohne frische Lieferungen auskommen würden.

Ausfälle wegen Libyen-Krieg stärker als angenommen

Die IEA begründete den überraschenden Schritt damit, dass die Ausfälle in Libyen stärker seien als angenommen. Zudem könnte der im Sommer übliche Anstieg der Nachfrage in den Ölraffinerien zu Engpässen führen. In der Organisation haben sich 28 Länder zusammengeschlossen, um nach den Erfahrungen der Ölkrise in den 1970er Jahren ihre Versorgung sicherzustellen. Deutschland gehört zu den Gründungsmitgliedern.

Mit 30 Millionen Barrel stellen die USA den größten Teil zur Verfügung. Dazu zapfen sie ebenfalls ihre strategischen Ölreserven an, wie das Energieministerium erklärte. Die Reserven seien derzeit auf einem historischen Höchststand von 727 Millionen Barrel. Das Öl gelangt nach und nach in den kommenden 30 Tagen auf den Markt. "Wir werden die Situation weiter beobachten und stehen für zusätzlich nötige Schritte bereit", sagte Energieminister Steven Chu.

Es ist erst das dritte Mal in der Geschichte der IEA, dass die Mitgliedsländer ihre Ölvorräte geschlossen antasten. Vor allem den Amerikanern dürfte am Erfolg der Aktion gelegen sein. Die US-Notenbank hatte erst am Mittwochabend die Konjunkturerwartungen für die USA leicht gesenkt. Billiges Öl, so die Hoffnung, könnte das Wachstum ankurbeln.

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