Insolvenz der „Frankfurter Rundschau“: Auf gut Deutsch: verkaufen

Das linksliberale Traditionsblatt ist insolvent. Die Mitarbeiter wollen trotzdem weitermachen. Was das heißt? Sechs Fragen, die sich jetzt stellen.

Die DuMont-Redaktionsgemeinschaft liefert für „FR“ und „BZ“ den größten Teil an überregionalen Beiträgen. Bild: dpa

1. Die Frankfurter Rundschau ist insolvent. Die MitarbeiterInnen wollen trotzdem weitermachen, hieß es gestern „In eigener Sache“ auf der FR-Titelseite. Aber wie realistisch ist das?

Bis Ende Januar 2013 ist das Erscheinen des Blatts gesichert, sagen die Nocheigentümer, der Kölner DuMont-Verlag und die SPD-Presseholding DDVG. So lange gibt es nämlich für die Mitarbeiter Insolvenzgeld von der Arbeitsagentur. Außerdem will man nach neuen Investoren suchen – auf gut Deutsch: Man will verkaufen. Da ist es schon eher zweckmäßig, dass das Blatt noch weiterhin erscheint.

2. Wieso kam die Insolvenz jetzt so plötzlich?

Angeblich wollte man erst im Dezember entscheiden, doch da hätte sich die Gefahr der Insolvenzverschleppung ergeben. Man sei „überrascht worden“, hat DuMont-Vorstand Franz Sommerfeld am Dienstag gesagt. Das wird ihm aber nicht von allen geglaubt: Sommerfeld hatte schon im Juni laut über einen Verkauf der FR nachgedacht, dann aber dementiert. Und bei Betriebsräten im DuMont-Konzern heißt es recht unverblümt, die Insolvenz sei für den Konzern schlichtweg die bessere Möglichkeit, Personal abzubauen.

3. Kann sich die FR nicht einfach am taz-Modell orientieren – und als Genossenschaft weitermachen?

Darüber wird in der Belegschaft tatsächlich nachgedacht. Kleiner Haken dabei: Die Frankfurter Rundschau ist nicht – wie die taz damals – ein Kollektivbetrieb, der sich selbst gehört. DuMont soll 2006 rund 35 Millionen Euro für seine FR-Anteile bezahlt haben. Seitdem, so Sommerfeld am Dienstag auf der Betriebsversammlung der Berliner Zeitung, wurden weitere 136 Millionen zugeschossen.

Ein bisschen Kohle werden sie also wohl sehen wollen, das gilt auch für die DDVG. Außerdem ist die FR schon verdammt tief im Minus. Es bräuchte also jede Menge GenossInnen, die akzeptieren, dass ihre Anteile sofort für den Verlustausgleich aufgebraucht würden.

4. Apropos Berlin: Was bedeutet die Insolvenz der FR denn für die Berliner Zeitung?

Auf jeden Fall nichts Gutes. In 14 Tagen soll es beim Berliner Verlag wieder eine Betriebsversammlung geben, auf der dann wohl die Katze aus dem Sack gelassen wird. Die Betriebsräte des Berliner Verlags befürchten massive Einschnitte im Personalbereich in Berlin. Denn auch wenn es schon seit dem Sommer keine gemeinsame Chefredaktion von FR und Berliner Zeitung mehr gibt, sind beide Blätter noch eng miteinander verflochten.

Die sogenannte DuMont-Redaktionsgemeinschaft (Rege) liefert für beide Blätter den Löwenanteil am überregionalen Teil, bis auf den Regional- und Lokalteil wird auch die komplette FR in Berlin produziert. Dafür überweist Frankfurt Geld an die Spree. Die Rege ist außerdem eine eigenständige GmbH, die zu 25 Prozent der FR gehört.

Mit der Insolvenz muss sie hier aber als Gesellschafter aussteigen. Und dann gibt es in Berlin noch neun Redakteure, die im Zusammenhang mit der Mantelproduktion aus Frankfurt nach Berlin gekommen, aber immer noch bei der Rundschau angestellt sind.

5. Wird die Redaktionsgemeinschaft von Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau dann wieder dichtgemacht?

Darüber ist in Mediendiensten spekuliert worden. Sagen will dazu in Berlin allerdings niemand etwas. An der Rege sind neben Berliner Zeitung und FR ja noch der Kölner Stadtanzeiger und die Mitteldeutsche Zeitung aus Halle an der Saale beteiligt, die auch zu DuMont gehören. Allerdings lästerten in letzter Zeit viele in Berlin, dass sie mehr Texte für Frankfurt als für Berlin machten, weil die FR wegen der weggebrochenen Anzeigen „so leer“ war und der Platz gefüllt werden musste.

6. Was bedeutet die Insolvenz denn für die digitalen Angebote von FR und Berliner Zeitung? Die werden doch in Frankfurt gemacht.

Gute Frage. Am Rande der Betriebsversammlung in Berlin hieß es, hier müsse sich die Berliner Zeitung demnächst wohl wieder auf eigene Füße stellen. Im Moment gibt es da gar keine richtige Onlineredaktion mehr – die Arbeit wurde bei der FR in Frankfurt gemacht, und Berlin hat dafür bezahlt.

Mit den sogenannten Dienstleisterverträgen – also für das Digitale und für die Arbeit der Rege – könnte es laut Betriebsrat sowieso noch mal haarig werden. Denn falls man die FR einstellt oder ein neuer Eigentümer die Dienstleistungsverträge mit Berlin kündigt, würde der Berliner Verlag wesentliche Einnahmen verlieren.

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