Integrationsprogramm der Koalition: Lob und Tadel für Schwarz-Gelb

Die Türkische Gemeinde lobt den Koalitionsvertrag. Konsequent sei von Menschen mit Migrationshintergrund die Rede, sagt ihr Chef. Pro Asyl kritisiert die Pläne.

Migrantenverbände sind uneins bei der Bewertung der Koalitionsvereinbarung. Bild: dpa

BERLIN taz Migranten- und Flüchtlingsverbände haben unterschiedlich auf die Koalitionsvereinbarung von Schwarz-Gelb reagiert. Während die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD) der neuen Regierung mehr Lob als Tadel aussprach, befürchtete Pro Asyl einen "eiskalten Winter für Flüchtlinge".

Für Lob ist der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde zuständig, für Tadel der Stellvertreter. Das solle auch die Gewichtung verdeutlichen, sagte der TGD-Vorsitzende Kenan Kolat am Dienstag in Berlin. Etliche Forderungen, die die TGD seit Jahren erhebt, würden nun umgesetzt. Erstmals werde in einem Koalitionsvertrag nicht mehr der Begriff "Ausländer" verwendet, sondern von Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen, sagte Kolat. "Dass Integration als Schlüsselaufgabe bezeichnet wird, ist ein großer Fortschritt."

Neben der Einrichtung eines Bundesbeirats für Integration begrüßte Kolat, dass die Orientierungskurse für MigrantInnen von 45 auf 60 Stunden erhöht werden. "Auch die verbindlichen Sprachstandtests für alle Vierjährigen sind wichtig", sagte Kolat. Zwar lässt Schwarz-Gelb offen, wie die "Bildungs- und Ausbildungsoffensive" für MigrantInnen konkret aussehen soll, Kolat lobte das Ziel dennoch. "Natürlich werden wir alle Ankündigungen kritisch begleiten."

Kolat lobte wohl nicht ohne Grund so viel. Jetzt, am Beginn der Legislaturperiode, gilt es, im Dialog mit der neuen Regierung zu bleiben. Die Kritik übernahm Stellvertreter Hilmi Kaya Turan. "Wir hätten uns natürlich ein eigenes Integrationsministerium gewünscht", sagte er. Zudem stehe alles unter Finanzierungsvorbehalt, es sei zu befürchten, dass vieles von dem, was jetzt geschrieben wurde, nicht umgesetzt wird. Die Koalitionäre wollen die Optionsregelung für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern überprüfen. Die Regelung sieht vor, dass sich diese Kinder zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr für die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit entscheiden müssen. "Das gehört abgeschafft", erklärte Turan.

Noch deutlicher wird der Flüchtlingsverein Pro Asyl. Referentin Marei Pelzer befürchtete am Dienstag einen "eiskalten Winter für Flüchtlinge". Ihr Kollege Bernd Mesovic wunderte sich, dass "unsere Themen praktisch nicht berührt wurden".

Tatsächlich räumt Schwarz-Gelb der Flüchtlingspolitik nur eine Seite im Koalitionsvertrag ein. Vieles bleibe in unverbindlichen Prüfaufträgen hängen, sagte Mesovic. Es werde keine Lösungen für das Problem des Auslaufens der Altfallregelungen und der 60.000 Kettenduldungen gefunden. Statt die Bleiberechtsregelung an die Aufenthaltsdauer zu knüpfen, bleibe die Koalition bei der überholten Stichtagsregelung. "Wir hätten uns vor allem von der FDP deutlich mehr Einsatz für Flüchtlinge gewünscht", kritisierte Mesovic weiter.

Auch die Grünen sehen erhebliche Defizite. "Der Koalitionsvertrag bringt keine Verbesserungen in puncto gesellschaftlicher Partizipation von MigrantInnen", sagte Josef Winkler, migrationspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Der "Optionszwang" hier geborener Jugendlicher solle lediglich überprüft, die "Anstrengungen zur Verhinderung von Scheinehen" intensiviert werden. "Das ist skandalös", lautete das Fazit von Winkler.

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