Internationaler Strafgerichtshof: Kenias Oberhetzer sollen vor Gericht

Der Chefankläger verlangt die Vorladung von sechs Politikern und Scharfmachern, die die ethnische Gewalt nach den Wahlen 2007 organisiert haben sollen.

Will die Verantwortlichen vor Gericht haben: Luis Moreno-Ocampo. Bild: dapd

BERLIN taz | Der Internationale Strafgerichtshof macht Ernst mit der Aufarbeitung politischer Gewalt in Kenia. Chefankläger Luis Moreno-Ocampo forderte gestern die Richter in Den Haag dazu auf, sechs Persönlichkeiten aus Kenia vorzuladen, um sich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verantworten. Es ist das erste Mal, dass der Strafgerichtshof in einem Land aktiv wird, das bereits eigene Schritte zur Aufarbeitung von Verbrechen geleistet hat.

In Kenia war es nach den Wahlen von Ende 2007 zu massiver ethnisch-politischer Gewalt gekommen, nachdem sich Amtsinhaber Mwai Kibaki zum Sieger erklärt hatte, obwohl alles darauf hindeutete, dass sein Hauptgegner Raila Odinga die Präsidentenwahl gewonnen hatte. Wütende Odinga-Anhänger gingen auf die Straße; nachdem die Polizei brutal gegen sie vorging, griffen sie zu den Waffen und es kam zu regelrechten Pogromen seitens Milizionären von Odingas Luo-Volk und vor allem von mit den Luo verbündeten Kalenjin gegen Angehörige von Kibakis Kikuyu-Volk, die größte Ethnie Kenias.

Nach knapp zwei Monaten machte ein Machtteilungsabkommen Odinga zum Premierminister unter Präsident Kibaki. Eine richterliche Untersuchungskommission stellte danach fest, die Gewalt habe über 1.100 Tote und 600.000 Flüchtlinge gefordert, und eine versiegelte Liste mutmaßlicher Hauptverantwortlicher wurde Moreno-Ocampo übergeben.

Betroffen sind nun Scharfmacher beider Seiten gleichermaßen. Im Lager des Präsidenten Kibaki sind es Polizeichef Mohamed Hussein Ali, der die Polizeieinsätze leitete; Finanzminister und Vizepremierminister Uhuru Kenyatta, Sohn des kenianischen Staatsgründers und mutmaßlicher Organisator der Kikuyu-Miliz "Mungiki"; sowie Francis Muthaura, Leiter des öffentlichen Dienstes, alter persönlicher Freund und Berater des Präsidenten.

Auf Seiten des Oppositionsführers Odinga richten sich die Ermittlungen gegen Bildungsminister William Ruto, der Kalenjin-Milizen im besonders umstrittenen Rift Valley zum Einsatz gegen Kikuyu aufgebaut haben soll; Industrieminister Henry Kosgey, der in ähnlicher Funktion tätig war; und den Journalisten Joshua arap Sang vom Radiosender "Kass FM", der im Stil des ruandischen Völkermordes gegen Kikuyu gehetzt haben soll.

Sollten die Richter dem Antrag des Chefanklägers stattgeben, werden die sechs in Den Haag vorgeladen. Falls sie sich weigern, könnte gegen sie Haftbefehl erlassen werden. In Kenia sind die Meinungen gespalten darüber, ob dies zur Befriedung beiträgt oder nicht. Ende 2012 stehen Neuwahlen an, und im Vorfeld dessen wird der erneute Aufbau ethnischer Milizen befürchtet.

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