Internationales Frauenfilmfestival: Ein Platz in der Nische

Heute beginnt in Köln das Internationale Frauenfilmfestival. Aber hat es überhaupt noch Sinn, ausschließlich Filme von Frauen zu präsentieren?

Fokus China: "Lost in Beijing" von Li Yu Bild: ifff

Filmfestivals werden in letzter Zeit häufig von selbstreflexiven Fragestellungen begleitet, die ins Grundsätzliche gehen. "Warum zeigt ihr der Welt das Licht?", hieß es bei der Viennale in Wien im vergangenen Jahr. "Haben Filmfestivals eine Zukunft?", will Lars-Henrik Gass, Leiter der Kurzfilmtage Oberhausen, dieser Tage gar in seinem Blog wissen. "Oder hat uns das Internet nicht eh obsolet gemacht?" Zum aktuellen Anlass des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund/Köln (IFFF) steht eine ähnliche Frage im Raum, die ans eigene Selbstverständnis rührt, denn das IFFF hat eine lange Tradition, es ist aus Feminale und Femme Totale hervorgegangen: "Warum ein Filmfestival, das ausschließlich Filme von Frauen zeigt?" Wird die Wahrnehmung von Filmen nicht unnötig präjudiziert, wenn diese Filme von vornherein in bestimmte, filmfremde Kategorien unterteilt werden?

Die Leiterin des IFFF, Silke Räbiger, nennt das Festival, durchaus liebevoll, "eigentlich ein Auslaufmodell". Im selben Atemzug führt sie aus, dass, obwohl der Anteil an Filmemacherinnen im Fernseh- und Dokumentarfilmbereich in den letzten Jahren durchaus gestiegen sei, im Bereich "großer Spielfilm" Frauen nach wie vor eine absolute Ausnahme bilden würden. Regie in diesem Bereich sei eine Tätigkeit in der "Führungsetage" und die traue man Frauen nur selten zu. Andererseits, sagt Räbiger, sei es um die Regisseurinnen in einem Land wie Frankreich deutlich besser bestellt als in Deutschland, was wiederum, grundsätzlich, mit einem völlig anderen Stellenwert von Film hier und dort zu tun habe. Dabei geht es vor allem um eine Art von Spielfilm, die sich auch als Mainstream durchsetzen kann. Nehme man das als Maßstab, blieben hierzulande nur Doris Dörrie und Margarete von Trotta übrig.

Die Forderung nach einem Frauenfilmfestival bleibt also an Repräsentanz gekoppelt - sie würde obsolet in dem Augenblick, in dem die Quote erfüllt ist. Und wenn die derzeitige Aufregung im Feuilleton um eine Reihe von Buchpublikationen - von Charlotte Roche bis zu den "Alphamädchen" - auf etwas verweist, dann auf eine noch unbestimmte neue Welle von Feminismus. Ob die selbstbewussten Gesten der Autorinnen mit der historisch verankerten Idee eines Frauenfilmfestivals in Einklang zu bringen sind? Oder ob deren Begehren nicht genau in die Richtung zielt, einen Platz in der Mitte zu besetzen? Sich nicht in die Nische zurückzuziehen, sich nicht abzugrenzen? "Es gibt immer wieder Frauen, die ihre Filme lieber nicht auf einem Frauenfilmfestival zeigen", sagt Räbiger, "um nicht diesen Stempel zu bekommen. Aber das war schon immer so, das hat sich nicht so sehr verändert."

Weit entfernt von jedem Lamento lässt sich ein anderer Vorteil behaupten: Auf frappierende Weise gelingt es einem Frauenfilmfestival immer wieder, etwas Unvorhergesehenes sichtbar werden zu lassen. Auf der letzten Viennale saßen die einstige Exploitationfilmerin Stephanie Rothman und die Experimentalfilmerin Nina Menkes auf einem Podium und sprachen über Exploitation und Avantgarde. Rothman bezog sich dabei euphorisch auf eine Sonderveranstaltung der Kölner Feminale im Herbst 1998. Damals wurden ihre Filme zum ersten Mal in einem feministischen Kontext verortet, zumindest was Europa anbelangt. Menkes wiederum wird beim diesjährigen IFFF in der Jury zum Debüt-Spielfilm sitzen, auch ihr jüngstes Werk "Phantom Love" wird auf dem Festival zu sehen sein. Bei der Wiener Diskussion hatte man - durch die Intimität und Konzentration hindurch - einen bitteren Unterton heraushören können. Eine skeptische Frage wurde geäußert: Kann das Benennen einer Benachteiligung, die aufgrund der Tatsache, eine Frau zu sein, entsteht, einen schon zum Opfer machen? "Meine Filme waren sicherlich nicht schlechter als die meiner Kollegen, im Gegenteil", sagte Rothman, und doch war ihre Karriere Mitte der 70er-Jahre zu Ende gewesen, als sie den Anspruch formulierte, etwas anderes als Exploitation zu machen. Menkes und Rothman, erfahrene Feministinnen, wussten genau, dass sie nach einer solchen Bemerkung rasch wieder einen neuen Unterton in ihre Gespräche einbauen mussten, einen ironischen, etwas mit Humor.

Die Frage, wie sich all das in eine Position der Stärke verwandeln ließe, stellt sich nach wie vor. Ein Filmprogramm oder eben ein ganzes Festival zu kuratieren, das eine internationale Bandbreite aufregender Filme zeigt, die alle von Frauen gemacht wurden, verändert sicherlich Wahrnehmung, Debatte, Selbstbewusstsein und etliches anderes mehr. "Frau" an sich ist dabei selbstverständlich noch kein Kriterium. Immer wieder aufs Neue gilt es auszuhandeln, was gute und was schlechte Filme sind.

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