Interne Mails der NPD: Rechte Hochzeit war manipuliert

Ein rückdatierter Mitgliedsausweis, Tauschen von Mitgliederlisten, abgesprochene Werbeanrufe: Interne E-Mails dokumentieren, wie NPD und DVU bei ihrer Fusion tricksten.

Fühlen sich stark: Neonazis beim "Trauermarsch" in Dresden. Bild: dpa

BERLIN taz | Einen Tag vor dem lang erwarteten Fusionsparteitag ist DVU-Chef Matthias Faust guter Dinge. "Vielen Dank für die Unterstützung", schreibt er am 11. Dezember 2010 in einer E-Mail an den NPD-Landesgeschäftsführer aus Baden-Württemberg, Alexander Neidlein. Der Dank war aus Fausts Sicht mehr als berechtigt. Denn bei der Verschmelzung der beiden rechtsextremen Parteien NPD und DVU hat Faust offenbar die Mehrheit mit Tricks manipuliert. Und NPD-Kader haben Faust - der inzwischen NPD-Bundesvizevorsitzender ist - nach Kräften unterstützt.

Das belegen interne Mails aus der rechtsextremen NPD, die der taz zugespielt wurden. Aus dem elektronischen Schriftverkehr gehen gleich mehrere fragwürdige Absprachen zwischen den Parteien hervor: Beim Neueintritt eines Mitglieds in die DVU wurde ein Mitgliedsausweis rückdatiert, Fahrten von NPD-Freunden zum DVU-Parteitag wurden intern abgestimmt, außerdem reichte die DVU ihre Mitgliedslisten an die NPD weiter.

Am 7. Dezember 2010 bekommt Faust eine Mail von Neidlein: Dessen Freundin brauche "einen zurückdatierten DVU-Ausweis und eine zurückdatierte Einladung" für den DVU-Bundesparteitag. Fünf Tage später, am 12. Dezember 2010, entschied die Parteibasis der DVU im thüringischen Kirchheim über die Fusion. Die Wahl ging so aus, wie von der DVU-Führung um Faust und vom NPD-Vorstand um Bundeschef Udo Voigt erhofft: Für die Fusion stimmten 62 von 71 Teilnehmern. Seit dem 1. Januar hat die NPD deshalb einen neuen Namen "NPD - Die Volksunion".

Die Mails von Faust und Neidlein belegen zumindest in einem Fall, dass offenbar kurz vor der Abstimmung aus dem NPD-Umfeld neue DVU-Mitglieder geworben wurden, die die Fusion abnicken sollten. Einen solchen Verdacht äußerte der niedersächsische Landeschef der DVU, Hans-Gerd Wiechmann, schon während des Parteitags: Sehr viele Gesichter aus dem Umfeld der NPD habe er gesehen, sagte er. Er und andere Fusionsgegner klagten vor dem Landgericht München, das Ende Januar die Fusion vorerst stoppte.

Bei den kommenden Landtagswahlen wollte die verschmolzene Neonazipartei als "geeinte und gestärkte Rechte" um Wähler werben. Deshalb wollte die DVU-Führung die Fusion anscheinend mit allen Mitteln durchsetzen. Am 8. Dezember verschickt Faust die Unterlagen für die Freundin des NPD-Funktionärs Neidlein offenbar per Post. In einer neuen Mail schreibt er: "Die Unterlagen für deine Freundin schicke ich heute auf den Weg."

Eine Auswahl der geleakten E-Mails finden Sie hier in der Übersicht.

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Am Samstag (19.02.) ab 9 Uhr berichtet taz.de in einem Live-Ticker aus Dresden, wo Neonazis aus ganz Europa aufmarschieren wollen. 20.000 Menschen werden zu Gegenprotesten erwartet.

Das DVU-Mitgliedsbuch scheint aber nicht pünktlich angekommen zu sein, denn drei Tage später und einen Tag vor dem DVU-Parteitag sendet er die Parteitagseinladung per Mail-Anhang: "… bitte einfach ausdrucken und mitbringen. Der Ausweis ist dann nicht so wichtig …". Offenbar ist dieses Prozedere kein Einzelfall, denn Faust verschickt noch eine weitere Einladung an NPDler Neidlein - für einen weiteren Mann.

Den Kontakt zwischen Faust und Neidlein hat es seit mindestens November gegeben. Die beiden Männer diskutierten auch über die Fahrtkosten von bestellten Ja-Sagern - wahrscheinlich DVU-Mitglieder - zum DVU-Parteitag. Kämen vier Ja-Sager aus der "Kampfgruppe Schwäbisch Hall" koste die Anreise 180 Euro, kämen "9-Mann" der Truppe lägen die Kosten bei 524 Euro", schrieb Neidlein. Faust antwortete: "Die Kosten sind absolut in Ordnung."

Auch der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt wirkte aktiv an der Fusionsvorbereitung mit. Er bittet in einer Mail vom 5. Dezember an einen Parteikollegen: "Sollten Sie noch der Verschmelzung gut gesonnene DVU-Mitglieder kennen, dann motivieren Sie doch diese, zum Bundesparteitag zu fahren." Neidlein liegen kurz vor dem Parteitag Listen von DVU-Mitgliedern vor. Am 1. Dezember schreibt er: "wir sind gerade dabei am durchtelefonieren der DVU-Listen. Ich kann dir aber wenn du die Sache übernehmen willst, die Liste von MA [Mannheim, d. Red] schicken." Der gemeinte NPD-Kader antwortet: "Du kannst die DVU Leute von Mannheim mir schicken … ich kümmere mich darum".

Wie NPD-ler vor der Fusion an die Mitgliederlisten der DVU kamen, wird aus den Mails nicht deutlich. Falls sie ihnen von der DVU zugespielt wurden, verstieße dies gegen das Datenschutzgesetz. Der Leiter des Bayrischen Landesamts für Datenschutzaufsicht, Peter Meier, ist für die DVU zuständig. Er erklärt der taz: "Hierfür wäre eine Einwilligung der Parteimitglieder notwendig." Dass es eine solche Einwilligung gab, ist unwahrscheinlich - die DVU äußerte sich dazu bis Redaktionsschluss nicht.

Sicher ist, dass Mitgliedslisten ab Januar verschickt wurden. Bereitwillig bietet Faust nach der Fusion dem NPD-Vorsitzenden Udo Voigt an: "ich würde gerne den Kameraden in Baden-Württemberg zur Unterstützung die Mitgliederliste der DVU-BW-Mitglieder zukommen lassen." Die Liste wird als Mail-Anhang verschickt. Auch die Daten aller DVU-Mitgliedern aus Sachsen Anhalt und Bayern werden so verschickt.

Dieser Umgang mit Mitgliederdaten ist unrechtmäßig. Laut Meier von der Datenschutzaufsicht müssen Mitgliederdaten sicher verschickt werden: "Eine Übermittlung von Mitgliederdaten per unverschlüsselter E-Mail wäre danach beispielsweise ungeeignet."

Die Fusionsgegner innerhalb der DVU sind nun sauer, dass die geleakten Mails aus der NPD auch sie bloßgestellt haben. Laut Hans-Gerd Wiechmann wollen sich die Landesverbände in Bayern und Baden-Württemberg bei den zuständigen Datenschutzbeauftragten beschweren. "Wir überlegen welche rechtlichen Schritte wir einleiten", sagt Wiechmann der taz. Am Samstag wollen die Fusionsgegner beraten – und entscheiden. Und so könnten am Ende Neonazis selbst noch ihre "geeinte und gestärkte Rechte" verhindern. Auf die NPD kommt im Superwahljahr 2011 ein Dauerstreit zu.

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