Interview: Tobias Burdukat: Wo ist die klare Kante gegen rechts?

„Da fehlt mir klare Positionierung“ – Tobias Burdukat, taz-Panter-Preisträger 2016, hadert mit der Politik.

Schöner Wohnen in rechts: Mitglieder der Identitären Bewegung haben mit Plakaten Grimma verunstaltet Bild: Burhan Yassin

taz: Tobias, beim taz.meinland-Sommerfestival in Grimma wurdest Du mit deiner Initiative viel vom anwesenden Landrat und dem Bürgermeister gelobt. Dennoch fehlt es ihnen, sagst Du, gerade in ihrer Haltung gegenüber Rechten, an Rückgrat.

Tobias Burdukat: Beim Sommerfest der taz hat der Landrat ja erstmal nicht so viel Falsches gesagt und uns als positives Beispiel für zivilgesellschaftliches Engagement genannt. Wir freuen uns natürlich, wenn wir da so gelobt werden. Andererseits machen wir aber auch die Erfahrung, dass es regelmäßig Angriffe auf unser Projekt gibt und dann passiert da von offizieller Seite erstmal gar nichts, um uns zu schützen. Einerseits brüstet man sich mit unserem Engagement, andererseits schaut man dann weg, wenn es drauf ankäme. Das werfen wir dem Landrat vor.

Dass er sich nicht klarer positioniert?

Dass er sich nicht klarer positioniert. Man traut sich nicht, sich da mal richtig aus dem Fenster zu lehnen. Das ist mein Gefühl. Wir werden am Ende von denen, die uns nicht leiden können, halt trotzdem angegriffen. Es gibt ja mehrere Gruppierungen hier direkt im Landkreis, gegen die auch teilweise Ermittlungsverfahren laufen, zum Beispiel die Old School Society. Wo Bombenanschläge auf Asylbewerberheime direkt hier im Landkreis vorbereitet wurden.

ist Jahrgang 1983, Gewinner der Goldenen Henne und taz-Panterpreisträger, leistet gemeinsam mit Jugendlichen aus der Umgebung auf dem Gelände der Alten Spitzenfabrik mit dem „Dorf der Jugend“ außergewöhnliche Jugendarbeit.

Und wie steht es um euren Bürgermeister? Der O-Ton bei euch war ja, dass der in Ordnung ist…

Vom Grundsatz her ist der in Ordnung. Der setzt sich schon auch ein. Der macht auch viel, wenn’s hart auf hart kommt. Man hat aber am runden Tisch gemerkt, dass es nicht ins Detail geht, auch nicht konkret wird, an der Oberfläche bleibt. Gerade, wenn’s mal erforderlich wäre, Stellung zu beziehen. Nur mal so ein Beispiel: Also nach diesem Übergriff in Connewitz, wo die Nazis da eine ganze Straße zerlegt haben und dort alle verhaftet wurden, da wurde bis heute keine Anklage erhoben. Mit der Begründung: Laufende Ermittlungen. Genau, laufende Ermittlungen. Auf der anderen Seite musste ich hier 2.000€ wegen der Beamtenbeleidigung zahlen.

Ich stehe da zu meinem Fehlverhalten, aber die Relation stimmt da irgendwie nicht. Am runden Tisch hatte ich mir vom Bürgermeister erhofft, dass er da zum Verhalten von Polizei und Justiz klarer Stellung bezieht, als wir darüber gesprochen haben. Klar, dass eine war eher Leipzig, das andere war Grimma, er hat nur indirekt damit zu tun…

…indirekte Beteiligung macht eine deutliche Haltung doch aber einfacher?

Ja, eigentlich schon. Stattdessen kommen da dann halt so pauschalisierte Aussagen. Aber er macht wie gesagt schon auch was, bei großen Nazi-Aktionen beteiligt er sich schon auch mal an den Gegenprotesten. Aber … Zum Beispiel bei dieser Aufkleber-Aktion der Identitären – sowas wird dann nicht mal thematisiert.

Es gab diesen Facebook-Post, in dem ein Mann aus Grimma schrieb: „G20 und wer eskaliert die Linken da bekomm ich blank und diese kaputten bauen ihren Tempel in Grimme in der alten Spitzen fabrik (Veranstaltungsort des taz-Sommerfestivals im Juni, d. Redaktion) wo soll das hin führen Nein danke“. Kennst du den?

Ja, ich kenn den. Man sieht da schon dran, wie viele Menschen hier ticken. Dass die überhaupt nicht mehr differenzieren. Dass sie nicht mehr darüber nachdenken, warum Dinge passieren oder passiert sind. Warum manche Menschen irgendwas machen. Ich seh das schon im Zusammenhang damit, dass Politiker, auf die ja dann doch mal gehört wird, auch keine klare Meinungen beziehen, sondern einfach nur irgendwie, irgendwo dazwischen rumwabern und versuchen, mit allen gut Freund zu sein. Da fehlt mir klare Positionierung.

Du saßt ja selber im Stadtrat und hast klare Kante gezeigt.

Meine Erfahrung ist: Viele von den Würdenträgern zeigen schon eine Meinung, eine Kante. Zumindest gegenüber anderen Behörden oder Verwaltungen. Gegenüber den BürgerInnen wird aber im Sinne der Wählerstimmen versucht, mit so vielen wie möglich gut Freund zu sein. Das hat auch dazu beigetragen, dass ich aus dem Stadtrat in Grimma raus musste. Weil ich das einfach nicht kann. Ich habe eine Meinung und die will ich auch äußern und nicht überlegen müssen, wer damit vielleicht ein Problem haben könnte. Dafür sind Meinungen ja da, dass man sie ausspricht.

Gibt es denn noch Leute im Landkreis, denen du das zutraust?

In der Überzahl sind die Leute, die hier ihre Meinung lautstark nach Außen tragen, tatsächlich irgendwelche Nazis. Alle anderen machen auf gut Freund.

Was geht dir bei solch hetzerischen Facebook-Posts durch den Kopf?

Wir werden hier bedroht und sind gefährdet, nur, weil wir unsere Meinung laut sagen. Ich finde, das sagt leider einiges über eine Zivilgesellschaft aus.

Das Interview führte JANN-LUCA ZINSER, Redakteur von taz.meinland.