Interview mit Deutschlands jüngstem Bürgermeister: "Schwulsein ist unkompliziert"

Unglaublich, aber wahr: Michael Adam ist im Bayerischen Wald zum jüngsten Bürgermeister Deutschlands gewählt worden - obwohl er schwul, evangelisch und Sozialdemokrat ist.

"Es ist hier eben doch liberaler, als manch einer denkt!" Was nicht heisst, dass in Bodenmais die Hüte keinen Gamsbart haben dürfen. Bild: dpa

taz: Herr Adam, Sie sind erst 23, dazu evangelisch, Student, Sozialdemokrat und schwul. Trotzdem wurden Sie vor gut einer Woche in Bodenmais zum Bürgermeister gewählt. Wie kam es denn bitte dazu?

Am 9. Dezember 1984 kam Michael Adam zusammen mit seiner Zwillingsschwester Miriam im Kreiskrankenhaus Zwiesel als Sohn einer zahnärztlichen Assistentin und eines Schweißers zur Welt. Nach dem Gymnasium absolvierte er seinen Zivildienst in einer Kurklinik und begann 2005 ein Politikstudium an der Uni Regensburg, das er zum Wintersemester 2008 abschließen möchte. Nach seiner Wahl wird er seine Studentenbude aufgeben und wieder in den Bayerischen Wald zurückkehren.

Bodenmais ist ein Markt im niederbayerischen Landkreis Regen und heilklimatischer Kurort mit rund 3.300 Einwohnern. Er ist bekannt für sein Bergwerk und für den Silberberg und liegt südwestlich am Fuße des Großen Arbers, dem höchsten Berg in Bayern außerhalb der Alpen.

Der erste urkundliche Bericht über Bodenmais findet sich im Urbar der bayerischen Herzöge um das Jahr 1300, in dem vom "Item das Goldwerch ze Pabenmaiz" berichtet wird. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts wurde in den Gruben bei Bodenmais, genannt "des Allmächtigen Gottes Gabe", nach Silber gegraben. Kurz darauf siedelten sich in dem Ort Glashütten an. Nach 1945 wurde Bodenmais binnen 30 Jahren zum Glasveredlungszentrum und gilt noch heute als Herberge der größten Bleikristallauswahl Deutschlands.

Michael Adam: Evangelisch, schwul, Sozialdemokrat - das sind Gründe, die für eine Wahlpleite sprechen sollten, ja - aber sie haben es nicht. Das liegt wohl daran, dass ich sehr weit in das bayerische Lebensgefühl eingedrungen bin. Es war nicht so wie sonst in der Kommunalpolitik: Sechs Wochen vor der Wahl taucht ein Oberbürgermeisterkandidat auf und bittet um die Stimmen. Ich bin hier groß geworden, ich bin im nahen Zwiesel aufs Gymnasium gegangen, und seit 2006 bin ich SPD-Ortsvorsitzender. Und die Leute kennen mich aus vielen Vereinen. Ich bin stellvertretender Vorsitzender der Waldvereinssektion, Mitglied im Ausschuss von Weiß-Blau Königstreu, bin bei den Schützen, aber natürlich auch beim DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund, Anm. d. Red.).

Aber schwul, tief im verschlafenen Bayerischen Wald, das war wirklich kein Problem?

Das Schwulsein ist völlig unkompliziert. Keiner hat das thematisiert, ich habe nur gehört, dass vor der Wahl einmal Leute herumgelaufen sind und an den Haustüren einen Ausdruck von der Schwuso-Website gezeigt haben (schwullesbischer Arbeitskreis innerhalb der Jusos, Anm. d. Red.). Aber die Leute scheint diese Aktion eher abgestoßen zu haben - es ist hier eben doch liberaler, als manch einer denkt! Das einzige Mal, dass es irgendwo ein bisschen Aufregung gab, war vor ein oder zwei Jahren, als wir unsere Schwuso-Gruppe Passau gegründet haben und sich irgendein NPDler aufgeregt hat und ein lokales Klatschblatt das Thema aufgegriffen hat.

Und das Alter? Sie ziehen ja jetzt sogar gerade vom Studienort Regensburg wieder ins elterliche Haus in Bodenmais.

Das Alter war der Hauptangriffspunkt für die CSU. Die haben versucht, mich beim Alter zu treffen, aber ich habe einfach inhaltlich dagegengearbeitet. Und das geht in Bodenmais leider auch gut, weil einiges nicht ganz optimal lief in der letzten Zeit. So wurden etwa Rechnungsprüfungsberichte nicht vorgelegt - und meine Wahlforderung, dass die geöffnet werden sollen und Transparenz in die Gemeindearbeit kommen soll, war nach dem, was ich höre, der Hauptgrund für meine Wahl zum Bürgermeister.

Wenn man die niederbayerischen Lokalzeitungen durchliest, scheint die CSU die Konfrontation ja eigentlich gescheut zu haben.

Ja. Eine Podiumsdiskussion der Passauer Neuen Presse ist abgesagt worden, maßgeblich auf Wunsch meines CSU-Kontrahenten. Vielleicht hatte er ja Angst. Ich denke, er wollte mir kein Forum bieten.

Und wie geht es dem jüngsten Oberbürgermeister jetzt? Haben Sie Angst so ganz ohne kommunalpolitische Erfahrung? Am 1. Mai geht es ja schon los, und ganz Deutschland schaut zu.

Das wird sicherlich klappen. Ich hatte zwar anfangs wirklich nicht mit einem Sieg gerechnet, war aber schon davon ausgegangen, zum Gemeinderat gewählt zu werden. Auf diese Aufgabe habe ich mich auch sehr gründlich vorbereitet, etwa einen kommunalpolitischen Lehrgang bei der Friedrich-Ebert-Stiftung besucht. Dazu kommt mein Wissen aus dem Politikstudium und in den nächsten Wochen noch Schulungen vom Bayerischen Städtetag.

Herr Adam, genau wie Ihr Kollege Jürgen Dupper in Passau scheinen Sie durch die Anwendung eines CSU-Mottos gesiegt zu haben: näher am Menschen. Sie sind viel in Vereinen unterwegs und wollen greifbar sein für die Bürger. Ist das der Weg, den die Opposition gehen muss, um die Übermacht der Schwarzen zu brechen?

Natürlich! Bayern, die Kultur und die Lebensart sind doch nicht von der CSU gepachtet! Und in München macht doch ein Christian Ude seit über einem Jahrzehnt vor, wie Sozialdemokratie in Bayern funktioniert. Früher war er ein linker Intellektueller - und dann hat er sich auch dem konservativen Bürgertum geöffnet und beste Ergebnisse eingefahren.

Was kann man eigentlich aus Ihrem ungewöhnlichem Sieg für die Landtagswahl in Bayern im September ablesen? Bei der letzten konnte die CSU die absolute Mehrheit erreichen mit unglaublichen 60,7 Prozent. Jetzt scheinen die Schwarzen aber ein wenig angezählt zu sein mit dem schlechtesten Ergebnis seit 1966.

Die CSU schwächelt, das stimmt. Das Problem aber ist, dass die SPD das bisher nicht nutzen konnte.

Woran liegt das?

An der Alleinstellung der CSU in Bayern. Die bayerische SPD ist nun einmal ein Landesverband einer bundesweiten Partei - da ist die Vermittlung von heimatlicher Identität schwieriger.

Und was heißt das jetzt für den September genau?

Dass wir mehr Leute an der Basis brauchen. Es ist halt nicht mit einem guten Franz Maget als Spitzenkandidaten getan. Der Mann kann sich die Hacken ablaufen, aber wenn vor Ort die SPD nicht dauerhaft sichtbar ist, wird es schwierig.

Kurz: Es braucht mehr Leute wie Sie in den Gemeinden? Sehen Sie sich da als roten Pionier?

Ich sehe mich schon ein wenig als Vorbild, aber möchte das gar nicht nur auf die SPD münzen. Ich sehe meinen Wahlerfolg - trotz vermeintlicher Probleme, die gar keine waren - als Erfolg für die jungen Menschen.

INTERVIEW: MAX HÄGLER

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