Interview mit Wirtschaftssenatorin: "Diese Stadt ist nicht fertig"

Die neue Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) war lange Lobbyistin. Das passt prima, entgegnet sie Kritikern.

Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer in Aktion. Bild: dpa

taz: Frau Yzer, wie wichtig ist die Pharmaindustrie für Berlin?

Cornelia Yzer: Die Gesundheitswirtschaft insgesamt ist wichtig für diese Stadt. In den vergangenen Jahren sind da erhebliche Investitionen geflossen. Internationale Konzerne haben ihre Deutschland-Zentralen nach Berlin verlegt, da war ich nicht unbeteiligt in meiner früheren Funktion. Ich habe Erfahrung mit der Gesundheitswirtschaft. Das kann nicht von Nachteil sein.

Sie waren bis vor kurzem Cheflobbyistin der Pharmaindustrie. Deswegen haben einige Ihren neuerlicher Wechsel in die Politik als unpassend kritisiert.

Das Gegenteil ist der Fall! Wir brauchen viel mehr Wechsel zwischen politischer und sonstiger beruflicher Tätigkeit. Denn wir profitieren davon, wenn Berufs- und Lebenserfahrung mehr Eingang in die Politik finden. Und überhaupt: Es ist doch normal, dass ich im zarten Alter von 51 schon anderen beruflichen Tätigkeiten nachgegangen bin.

Als Sie 1997 Lobbyistin wurden, haben Sie Ihr Bundestagsmandat ein Jahr lang behalten. Würden Sie das heute noch so machen?

Ich war während dieses Jahres im Parlament auf Gebieten tätig, die absolut nichts mit meiner neuen Aufgabe zu tun hatten. Das Mandat hatte ich damals behalten, weil ich direkt gewählte Abgeordnete war und mein Wahlkreis sonst nicht im Bundestag vertreten gewesen wäre. Aber die Zeiten ändern sich: Wahrscheinlich muss man heute klarere Schnitte ziehen. Das habe ich dann in der Folgezeit ja auch gemacht.

51, ist seit 27. September Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung. Die CDU-Frau war 1992 bis 1994 Staatssekretärin im Bundesministerium für Frauen und Jugend und von 1994 bis 1997 im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Von 1997 bis 2012 arbeitete sie als Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller.

Nun sind Sie als Senatorin für die Wirtschaft zuständig, ein mitunter schwieriges Feld. Warum wollten Sie diesen Job?

Weil Berlin Potenzial hat! Diese Stadt ist nicht fertig. Sie ist zwar immer auf den letzten Plätzen aller bundesweiten Ranking-Listen, holt aber weiter auf. Berlin entwickelt sich überproportional gut, und diesen Prozess möchte ich noch weiter verstärken. Das ist auch meine persönliche Herausforderung, denn ich bin eigentlich nie dahin gegangen, wo Dinge fertig waren.

Unfertig ist zum Beispiel die Suche nach einem neuen Geschäftsführer für die Messe. Darüber ist Ihre Vorgängerin Sybille von Obernitz gestolpert.

Ich habe mit Hans-Joachim Kamp, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Messe, ein Gespräch geführt und deutlich gemacht, dass der Senat der Auffassung ist, dass bei der Ausschreibung des Postens das Landesgleichstellungsgesetz nicht hinreichend berücksichtigt wurde.

Dieser Auffassung war auch Frau von Obernitz.

Es wird jetzt ein rechtlich einwandfreies Auswahlverfahren geben, der Aufsichtsratsvorsitzende wird mich in den nächsten Tagen darüber informieren, wie es weitergeht. Wenn sich das Land solche Beteiligungen wie bei der Messe hält, dann muss es als verantwortlicher Eigentümer formal einwandfrei handeln.

Sie sind kein Fan des Trends zurück zu mehr öffentlichen Beteiligungen.

Rekommunalisierung ist für mich keine ideologische Frage. Bei jeder Entscheidung über den Ausbau von Beteiligungen des Landes geht es um die Schlüsselfrage, ob ein solches Engagement dem Bürger dient oder nicht. Das wird man sich im Einzelfall sehr genau anschauen müssen.

Sie gelten als tough und durchsetzungsfähig. Ihre Vorgängerin hat es mit einer ähnlichen Herangehensweise probiert.

Dass ich durchsetzungsstark bin, sagt man mir nach – und ich kann es auch nicht ganz bestreiten. Es geht mir aber dabei nicht ums Rechthaben. Mir ist es wichtig, valide Daten und Informationen als Basis für meine Entscheidungen zu haben und sie mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu beraten.

Im Bundesgesundheitsministerium nannte man sie einst den General. Ist Ihre Herangehensweise nicht zu forsch für eine staatliche Verwaltung?

Ich werde nicht die sture Einzelkämpferin sein, sondern den Dialog mit der Verwaltung nach innen und mit Unternehmen und Verbänden nach außen suchen und möglichst viele mit einbeziehen. Das ist wichtig für mein Vorhaben, etwas für den Standort Berlin zu tun und diese Stadt mit zu verändern.

Was sich schon rapide an diesem Standort verändert hat, ist die Zahl der hierherströmenden Touristen.

Ja, wir werden in diesem Jahr einen Touristenrekord erreichen. Ich freue mich über jeden, der in diese Stadt kommt und sich für sie interessiert. Noch mehr freue ich mich über jeden, der nicht einfach wieder abreist, sondern sagt: Eigentlich müsste ich in dieser Stadt etwas tun. Wir brauchen diese Internationalität, die durch Neuberliner aus vielen Ländern und durch Touristen noch befördert wird.

In manchen Bezirken stöhnen die Bürger über die hereinbrechenden Touristenmassen.

Wir müssen auch mal ehrlich sein: Wenn wir in andere Städte fahren, nach London etwa, dann finden wir dort immer einige bestimmte Orte, die Touristen anziehen. Wir müssen die Touristen einfach dazu bringen, noch ein zweites, drittes und viertes Mal zu uns zu kommen. Dann gehen sie auch in andere Stadtteile, abseits der Touristenströme.

Trotzdem warnen viele, dass der Boom vieles zerstört, was die Stadt ausmacht: Projekte und Orte fernab von Kommerz und Verwertungsdruck etwa.

Natürlich ist es für Berlin wichtig, nicht nur das zu präsentieren, was konkurrierende Hauptstädte auch bieten. Ich lebe ja auch in dieser Stadt und genieße eine Vielfalt, die andere Städte nicht haben. Berlin ist „anders“, und das macht die Stadt aus. Man kann nicht immer alles im Einzelnen von oben regeln. Ich glaube, eine Szene muss sich auch frei selbst entfalten.

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