Interview zu Erinnerungskultur: "Luxemburg wiederfinden"

93 Jahre nach ihrer Ermordung wird eine Brücke über den Landwehrkanal nach Rosa Luxemburg benannt. An der Stelle wurde ihre Leiche versenkt.

Ein Ort des Chillens – und des Gedenkens: der Landwehrkanal. Bild: dpa

taz: Herr Karwelat, ab dem heutigen Dienstag heißt eine Brücke im Tiergarten über den Landwehrkanal „Rosa-Luxemburg-Steg“. Warum ist das so wichtig?

Jürgen Karwelat: Kaum ein Ort in Berlin ist so eng verbunden mit einer Person wie der Landwehrkanal mit Rosa Luxemburg. Sie war eine wichtige Figur deutscher Geschichte, Kämpferin gegen Krieg, für soziale Gerechtigkeit und auch eines der ersten Opfer rechtsradikaler Gewalt.

Es gibt eine Rosa-Luxemburg-Straße, einen Luxemburg-Platz und auch eine U-Bahn-Station. Reicht das nicht?

Das Besondere an der Brücke ist, dass jetzt der Ort nach Luxemburg benannt wird, an dem 1919 ihre Leiche in den Landwehrkanal geworfen wurde. Damit trägt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einem kollektiven Gedächtnis Rechnung, das schon lange besteht. Endlich kann man an diesem Ort Rosa Luxemburg im Stadtplan wiederfinden.

Warum passiert das erst fast 100 Jahre nach ihrer Ermordung?

Wir von der Geschichtswerkstatt fordern seit 1986 – als die Brücke gebaut wurde –, dass sie nach Rosa Luxemburg benannt wird. Bisher hat sich die jeweils zuständige Senatsverwaltung immer quergestellt. Die Pauschalantwort war, dass es genügend Erinnerungsorte gegeben habe.

Was führte zum Sinneswandel?

st im geschäftsführenden Ausschuss der Berliner Geschichtswerkstatt e. V. und organisiert historische Stadtrundfahrten mit dem Schiff.

Offenbar haben unsere stetigen Interventionen einen Denkprozess ausgelöst. Wir begrüßen dieses Ergebnis sehr! Anfang des Jahres sind wir an den neuen Senator herangetreten, und dieser hat jetzt die Benennung beschlossen.

Wie hieß die Brücke bisher?

Tatsächlich gab es keinen offiziellen Namen. Bis 1945 hieß die Vorgängerbrücke Lichtensteinbrücke, nach dem Gründer des Zoos. Auch die heute vorhandene wird oft so genannt. Allerdings wurde weder bei der Einweihung 1987 noch danach offiziell ein Name vergeben oder ein Schild angebracht. Die Senatsverwaltung spricht von Umbenennung. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sie sich der Tragweite der Geschichte der Brücke überhaupt bewusst ist.

Insofern handelt es sich aus Ihrer Sicht um eine Erstbenennung?

Richtig. Allerdings haben wir von der Geschichtswerkstatt immer um den 15. Januar, dem Tag des Doppelmordes an Luxemburg und Karl Liebknecht, eine symbolische Brückenbenennung durchgeführt und Schilder angebracht. Die Schilder waren aber nach wenigen Tagen immer wieder verschwunden.

Werden Sie auf der Einweihung sprechen?

Bisher habe ich eine Einladung als Gast, aber nicht als Redner. Der SPD-Senator für Stadtentwicklung, Michael Müller, will die Brücke persönlich benennen. Ich finde allerdings, dass auch wir von der Geschichtswerkstatt nach 26 Jahren Arbeit am Thema ein Recht haben, ein paar Worte zu sagen.

Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gehören zusammen, auch durch ihren gleichzeitigen gewaltsamen Tod. Wie steht es denn mit Gedenkorten für Liebknecht?

Seit 1987 gibt es an dem Ort im Tiergarten, an dem Liebknecht von hinten erschossen wurde, ein Mahnmal. Wenn jetzt die Brücke Rosa-Luxemburg-Steg heißt, wird an die Ermordung beider erinnert.

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