Interview zur Kinderarmut in Berlin: „Arm sein heißt, am Rand zu stehen“

Ingrid Stahmer, die Sprecherin der Landesarmutskonferenz, fordert mehr Präventionsarbeit.

Suppenküche für Kinder

Viele Berliner Kinder kriegen zu Hause kein oder selten warmes Essen Foto: dpa

taz: Frau Stahmer, was heißt Kinderarmut in Berlin – es geht ja nicht ums Hungern, oder?

Ingrid Stahmer: Doch, beinahe schon. Es gibt viele Familien, die sich bei der Tafel Essen holen, woran man auch sieht, wie niedrig der Sozialhilfesatz und Hartz IV sind. Es heißt aber auch, immer am Rande zu stehen: in der Schule, in der Freizeit, draußen, drinnen. Armut ist der größte Risikofaktor für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Gerade die Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen können arme Eltern nicht leisten, weil sie mit ihren eigenen Schwierigkeiten befasst sind.

Ist also was dran an dem Bild von dicken, Chips essenden Kindern, die den ganzen Tag fernsehen?

Ja, durchaus. Zwar ist durch Untersuchungen belegt, dass alle Eltern das Beste für ihre Kinder wollen – aber bei armen Eltern ist die Fähigkeit, das zu tun, was sie als das Beste für ihre Kinder erachten, am schlechtesten ausgebildet. Natürlich gibt es Familien, die einen wunderbaren emotionalen Zusammenhalt haben und so ihre Armut besser ertragen können. Aber das sind die allerwenigsten. Die meisten Eltern können es nur schlecht ertragen, so abhängig und am Rande stehend zu sein – und können entsprechend wenig für ihre Kinder tun.

Was muss konkret geschehen?

Es muss viel mehr Prävention her, eine kommunale Infrastruktur für alle Kinder und Familien, sodass sie gefördert und unterstützt werden. Gleichzeitig brauchen wir individuelle Förderinstrumente für die von Armut betroffenen. Die gehen nicht zur Beratungsstelle, dazu reicht schon die Kraft nicht.

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