Interview zur Korruption in Sportverbänden: "Kein Mensch glaubt, was Blatter sagt"

Jens Sejer Andersen von der Plattform "Play the Game" über Korruption, wenige weißen Schafe, die IOC und die Chancen zur Gründung eine Welt-Anti-Korruptions-Agentur.

Hat natürlich nichts mit Korruption zu tun: Fifa-Chef Blatter (r.) übergibt dem katarischen Emir und seiner Frau eine Replik des WM-Pokals, anlässlich der WM 2022 im Fußballtraditionsland Katar. Bild: reuters

taz: Herr Andersen, wenn Korruption Teil der menschlichen Natur ist, wie der ehemalige Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, Richard Pound, behauptet, was können Sie mit "Play the Game" überhaupt bewirken?

Jens Sejer Andersen: Wir können nichts gegen die menschliche Natur unternehmen, aber alle Organisationen, die mit viel Geld operieren, könnten vorbeugende Maßnahmen ergreifen, welche sie nicht so angreifbar für die dunkle Seite der menschlichen Natur machen. In gut funktionierenden Gesellschaften gibt es Kontrollmechanismen, die darüber wachen, wo öffentliches Geld und auch das Geld von Unternehmen landet. Das Problem ist, dass gerade die Top-Funktionäre der weltweiten Sportverbände ohne Kontrolle agieren.

Das Problem ist also die Autonomie der großen Verbände wie der Fifa und anderer?

Ja, und sie haben keine glaubwürdigen internen Kontrollsysteme. Die Unterverbände, also die nationalen Institutionen, stellen darüber hinaus keine kritischen Fragen. Sie werden auch über gewichtige Entscheidungen zum Teil gar nicht informiert. Und viele Medien fressen den Weltverbänden aus der Hand, da sie ihnen die attraktiven wie lukrativen Großveranstaltungen bieten.

Wie antwortet die Politik darauf?

Die nationalen Politiker sind nicht fähig, mit den international vernetzten Sportverbänden zurechtzukommen. Die Verbände haben sich in den letzten dreißig Jahren ein sehr gut funktionierendes globales System aufgebaut – die Politiker der einzelnen Länder haben Probleme, weltweit so zu kooperieren, dass international gültige Gesetze geschaffen werden können.

Direktor der Organisation "Play the Game", die mit Artikeln und Konferenzen die ethischen Grundsätze im Sport stärken will. Der Däne, Jahrgang 1960, ist Journalist und war lange Jahre Chefredakteur der Sportzeitschrift Ungdrom & Idraet (dt.: Jugend und Sport).

Es ist also ein rechtliches Problem?

Es gibt da viele Verantwortlichkeiten, aber die Frage der Gesetzgebung steht ganz oben auf der Agenda. Die Verbände operieren mit so großen Geldmengen, dass sie wichtige gesellschaftliche Faktoren sind.

Glauben Sie denn, die internationale Politik hat ausreichend Interesse an Transparenz?

Generell ist es noch eher so, dass die Politiker vor allem an Freitickets, Komfort und Amüsement während sportlicher Großveranstaltungen interessiert sind. Außerdem sind die großen Events sehr populär. Selbst wenn Politiker ein ungutes Gefühl bei manchen Veranstaltungen gehabt haben mögen, so haben sie dies nicht öffentlich gemacht, um sich nicht unbeliebt zu machen.

Wird es nach dem Vorbild der Wada bald eine Welt-Anti-Korruptions-Agentur Waca geben?

Ich kann nur sagen, dass es koordinierter Anstrengungen gegenüber allen Formen von Korruption im Sport bedarf. Meine Forderung an die deutschen Sportpolitiker ist es, das Problem auf die internationale Ebene zu transportieren. In die EU und darüber hinaus. Außerdem müssen die Politiker Druck auf die eigenen Verbände ausüben.

Wie müsste die Waca beschaffen sein?

Ich weiß nur, dass möglichst viele Interessengruppen beteiligt sein sollten, auch Fanorganisationen, Sponsorenvereinigungen und Medienvertreter.

Was kann "Play the Game" in dieser Hinsicht leisten?

Unsere Hauptaufgabe ist es, dass die Öffentlichkeit jederzeit gut informiert ist über alle Fakten, die den Sport betreffen, und das betrifft auch die Korruption. Unser Ziel ist darüber hinaus eine offene Debatte über sensible und schwierige Themen im Sportbusiness. Das ist heute noch nicht der Fall. Wir versuchen, die Beteiligten an einen Tisch zu bringen: kritische Beobachter, Whistleblower und verantwortliche Funktionäre. Wir wollen auf der einen Seite eine Plattform für unparteiische und unabhängige Stimmen bieten, andererseits wissen wir, dass nichts passiert, solange die mächtigen Sportfunktionäre nicht Teil der Debatte werden. Aber von deren Seite wird gemauert.

Die Verbände kooperieren gar nicht?

Nein.

Kein einziger?

Es gibt schon einige wenige mutige Verbände …

nämlich?

Zum Beispiel Richard Pound oder Arne Ljungqvist vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC), Jerome Champagne, Ex-Fifa-Beauftragter für internationale Beziehungen, oder Harold Mayne-Nicholls vom chilenischen Fußballverband. Was viele andere Verbände angeht, so gibt es interne Warnungen und Sanktionsandrohungen gegenüber Funktionären, sollten sie unsere Konferenz besuchen.

Sie nennen die Fifa, den Handballverband IHF, die Boxverbände und den internationalen Volleyballverband als dringlichste Problemfälle. Was ist mit dem IOC?

Zumindest kommt da Bewegung rein, im Gegensatz zur Fifa. Man kann nicht leugnen, dass das IOC sich zumindest langsam bewegt. Sie wurden in den späten Neunzigern von Skandalen gebeutelt, langsam werden es weniger.

Mit den derzeitigen Auflagen und der Führung geht der Weg innerhalb des IOC in die richtige Richtung. Aber das IOC ist viel zu nachlässig gegenüber dem Verhalten der ihm unterstehenden Verbände und Organisationen. Sie hätten die Möglichkeit und die Verantwortung, politischen Druck auf die Unterverbände auszuüben - dieser Pflicht kommen sie nicht nach. Die meisten dem IOC angeschlossenen Verbände können weiter tun und lassen, was sie wollen.

Die Fifa ist in jedem Fall das schwerwiegendste Problem im internationalen Sport, zum einen, weil es über Jahrzehnte in der Führungsriege korrupte Verhaltensmuster gab und gibt, zum anderen, weil die Fifa so viel Geld umsetzt, dass Korruption sich richtig lohnt. Auch die Fifa hat wunderbare ethische Kodizes und Richtlinien. Aber die stehen nur auf dem Papier.

Was wäre für Sie der nächste Schritt zur Gründung einer Anti-Korruptions-Behörde?

Wir brauchen die Unterstützung der EU. Die US-amerikanischen Sportausschüsse sollten auch beteiligt sein, da sie weltweit den größten politischen Druck ausüben können. Es ist vorgesehen als Bündnis Europas, der USA und der Commonwealth-Staaten, vergleichbar mit der Gründung der Wada. Die großen Sportnationen mit großer Finanzkraft im Sport müssen politisch beteiligt sein, damit so etwas erfolgreich sein kann.

Denken Sie, der innerhalb der Fifa recht mächtige DFB müsste mehr tun?

Ja, aber sollte der DFB weiterhin dem angeblichen Aufräumkurs Blatters innerhalb der Fifa vertrauen, fällt dieser Faktor weg. Kein Mensch der Welt glaubt, was Sepp Blatter sagt. Ich hoffe, beim DFB sieht man das bald genauso.

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