Interview: "Demonstrieren allein reicht nicht"

Der Politologe und Aktivist Peter Grottian ruft dazu auf, künftig am 1. Mai auch Firmenzentralen zu besetzen.

PETER GROTTIAN, Politikprofessor em., lehrte bis 2007 an der FU. 2002 gründete er die Initiative zur Repolitisierung des 1. Mai mit und wandte sich gegen Krawalle. Sein Auto fiel dem Engagement zum Opfer, es wurde damals bei einem Treffen angezündet.

PETER GROTTIAN, Politikprofessor em., lehrte bis 2007 an der FU. 2002 gründete er die Initiative zur Repolitisierung des 1. Mai mit und wandte sich gegen Krawalle. Sein Auto fiel dem Engagement zum Opfer, es wurde bei einem Treffen angezündet.

taz: Herr Grottian, Friede, Freude, Bionade am 1. Mai in Kreuzberg. Sind Sie zufrieden?

Peter Grottian: Ich habe mich natürlich gefreut, dass der 1. Mai so friedlich verlief. Gleichzeitig habe ich mich geärgert, dass danach wieder das Ritual des erleichternden Aufatmens folgte. Politik und Polizei haben sich auf die Schulter geklopft und sich für ihre erfolgreiche Befriedungsstrategie gelobt. Viel wichtiger ist, was die Menschen dazu beigetragen haben, welchen Lernprozess die Szene in den letzten Jahre durchlaufen hat.

Was funktioniert in Berlin mittlerweile anders als in Hamburg?

Hier hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass mit Gewalt kein Blumentopf zu gewinnen ist, sondern Krawalle im Gegenteil zu einer Entpolitisierung des 1. Mai beitragen.

Ist denn eine Repolitisierung des 1. Mai gelungen?

In Teilen ja, wenn ich mir die Mayday-Parade anschaue und die Forderungen, die dort fortgetragen wurden. Aber die außerparlamentarische Bewegung muss sich auch fragen, was sie noch tun kann. Die Krawalle dürfen nicht durch eine Latschdemo mit netten Parolen ersetzt werden. Demonstrieren allein reicht nicht. Ich plädiere für den Mut zur Wut, kombiniert mit Akten des zivilen Ungehorsams.

Das heißt?

Zusätzlich zur Demonstration könnte die Bewegung an diesem Tag die Media-Spree belagern oder die Hauptsitze der preistreibenden Wasserwerkseigner RWE und Veolia besetzen. Auch das Gelände in der Charlottenstraße, wo der Bundesnachrichtendienst seinen neuen Hauptsitz baut, bietet sich für Aktionen des zivilen Ungehorsams an, dort kann ein Baustopp erzwungen werden. Und im nächsten Jahr muss endlich eine gemeinsame Demo möglich sein.

Gemeinsam mit dem DGB?

Nein, eine gemeinsame Demonstration der außerparlamentarischen Bewegung. Der DGB und soziale Bewegungen widersprechen sich in ihren Zielen.

Der Mindestlohn ist kein gemeinsames Anliegen?

Das ist er, aber die Ziele der Bewegung gehen sehr viel weiter, bis zu einem garantierten Grundeinkommen und einem Mindestlohn von 10 Euro.

INTERVIEW: ANNA LEHMANN

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