Iranerin will für Deutschland antreten: Weltstar im Wartestand

Die geflüchtete iranische Taekwondo-Kämpferin Alizadeh will für Deutschland antreten. Zu den politischen Umständen im Iran schweigt sie.

Kimia Alizadeh bei einem Taekwondo-Kampf mit ihrer Gegnerin

Holt auf sportlicher Ebene aus: Kimia Alizadeh kämpft um olympische Bronze Foto: Bildbyran/imago

Kimia Alizadeh, 1,85 Meter groß, tritt so ruhig auf und reif, dass man schnell vergisst, wie jung sie noch ist, 21 Jahre erst. Was die geflüchtete Taekwondo-Kämpferin von dem großen Auflauf hält, der sie in Deutschland begleitet, ist schwer durchschaubar; selbst am vergangenen Wochenende, als sie die nationalen Taekwondo-Meisterschaften in Lünen lediglich als Zuschauerin besucht, ist sie der Lokalpresse das Titelmotiv wert. Ein Weltstar im Wartestand.

Die Iranerin Alizadeh, erste Sportlerin ihres Landes, die eine olympische Medaille erringen konnte, Bronze in Rio, hat sich im Januar mit einem bemerkenswerten Post aus der Heimat abgesetzt. Bei Instagram schrieb Kimia Alizadeh, sie sei „eine von Millionen unterdrückten Frauen in Iran, mit denen sie nach Belieben seit Jahren spielen“.

Sie sei gedemütigt und ausgenutzt worden, sie berichtete von Ausbeutung und Sexismus. „Für sie sind wir nur Werkzeuge.“ An Heuchelei, Korruption und Lügen habe sie sich nicht beteiligen wollen. Kimia Alizadeh hat den Iran nicht still verlassen, sondern mit einem Knall, der auch ein hohes Risiko bedeutete, der von lange aufgestauter Wut zeugte. Über die Niederlande floh sie mit ihrem Ehemann nach Hamburg, wo sie aktuell lebt. Bei den Olympischen Spielen im Sommer in Tokio möchte sie gern für Deutschland starten. Wenn sie denn darf.

Anlässlich der Deutschen Meisterschaften findet die Pressekonferenz der Deutschen Taek­wondo Union (DTU) in Lünen statt. Die DTU unterstützt Alizadehs Wunsch nach schneller Einbürgerung und Olympia unter deutscher Flagge, die Pressekonferenz ist auch eine Art Werbeveranstaltung dafür. DTU-Vizepräsident Musa Cicek ist da, und drei deutsche Kader-AthletInnen, aber die Medienvertreterinnen schauen nur auf Kimia Alizadeh. Die Sportlerin spricht hastig und leise. Der ganze Rummel, lässt der Pressesprecher ausrichten, sei ihr „gar nicht so recht“. Alizadeh ist permanent flankiert von ihrem Manager und ihrem Ehemann, sie spricht nur Farsi, der Manager übersetzt. Die 21-Jährige trägt die Haare offen, kein Kopftuch, sie hat es offenbar bei der ersten Gelegenheit abgelegt.

Sofortige Einbürgerung nicht realistisch

Auch in dieser Hinsicht eine Frau mit Haltung. „Es geht mir darum, dass ich hier in Ruhe leben und Sport treiben kann“, sagt sie. „Ich will zur Ruhe kommen und weiter Medaillen holen, dafür ist Deutschland ein sehr gutes Podium.“ Sie wolle erst mal in Sicherheit sein und sich auf die Karriere konzentrieren, daher eine Bedingung: „Keine politischen Fragen.“ Kimia Alizadeh spricht derzeit nicht zur Lage im Iran, auch nicht zu ihren Motiven für die Flucht, und nicht über die Hinterbliebenen im Iran; politische Aussagen bringen die Zurückgebliebenen in Gefahr. Wie weit die Macht des Regimes reicht, wie viel Druck mutmaßlich auf ihr lastet, lässt sich erahnen, als die 21-Jährige zu vielen Fragen schweigt.

Auch sind es möglicherweise taktische Gründe; der gewählte Zeitpunkt ihrer Flucht könnte Kimia Alizadeh die Olympischen Spiele kosten. Sie muss sofort eingebürgert werden, wenn sie schon im Sommer für Deutschland starten will. Auch der Weltverband und der Iran müssten sie dann noch freigeben, und sicherlich ist es dafür nicht hilfreich, das Regime noch weiter zu provozieren. Wenn dieser ambitionierte Zeitplan nicht funktioniert, könnte sie immer noch einen Asylantrag stellen und im Geflüchtetenteam zu den Spielen fahren, wohl die realistischere Option.

Kimia Alizadeh wartet. Gerade ist ihr Schengen-Visum verlängert worden. „Das erleichtert mich zu hundert Prozent.“ Die DTU wirkt bemüht, all das nicht zu sehr nach Vorzugsbehandlung aussehen zu lassen. Vizepräsident Musa Cicek sagt: „Wir haben auch andere Sportlerinnen, die seit vier Jahren um Olympia kämpfen, es wird keinen Freifahrtschein geben.“ Aber man kann davon ausgehen, dass der Verband, wenn er eine Spontaneinbürgerung durchboxen sollte, sie auch nach Tokio schickt. Kimia Ali­zadeh brächte der „Taekwondo-Familie“ (Cicek) gleich doppelten Gewinn: als Spitzensportlerin und als Symbol gewisser moralischer Überlegenheit.

Solche Töne zumindest klingen immer wieder in den Pressefragen an. Denn die Medien interessiert eine ständige Frage in Variation: Wie fühlt sich Kimia Alizadeh in Deutschland aufgenommen? Wie dankbar ist sie für die deutsche Unterstützung? Warum gerade Deutschland? Geflüchtete haben bekanntlich dankbar zu sein. Alizadeh sagt, sie werde gut aufgenommen, sie habe ein gutes Gefühl hier. Mehrere geflüchtete iranische Sportler, etwa der Judoka Saeid Mollaei, kamen zuletzt nach Deutschland, auch das spielte wohl eine Rolle für sie. Sie habe außerdem in Hamburg viele Freunde, die sie unterstützten. Sie möge die Atmosphäre und die Menschen hier.

Kimia Alizadeh

„Gerade für Frauen, die im Iran Sport treiben, ist es hart“

In den nächsten Wochen wird sich entscheiden, wie Kimia Alizadehs Sommer aussieht. Aktuell trainiert sie nicht, ist noch auf der Suche nach einem neuen Verein. Warum sie gerade jetzt geflüchtet ist, kurz vor den Spielen, dahingehend macht die Taekwondo-Kämpferin dann doch noch eine Andeutung. „Es gibt als Sportlerin im Iran bestimmte Regeln, die man befolgen soll, und wenn man diesen Rahmen einhält, hat man keine Probleme. Ich bin seit letztem Jahr verheiratet und kann im Iran meine Sportkarriere als Ehefrau nicht so weiterführen. Das hat mich gestört und das war der konkrete Beweggrund.“

Ihr Manager erklärt auf Nachfrage, sie dürfe beispielsweise während der Trainingslager keinen Besuch von ihrem Ehemann erhalten und auch nicht mit ihm telefonieren. Kimia Alizadeh sagt: „Gerade für Frauen, die im Iran Sport treiben, ist die Situation hart, das ist nicht wie in anderen Ländern. Die Frauen müssen härter trainieren und für ihre Ziele und Karrieren kämpfen.“ Auf die Frage, ob denn eine Rückkehr in den Iran für sie infrage komme, gibt sie eine eindeutige Antwort: Nein.

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